Über die Riemannsche Funktionalgleichung der \(\zeta\)-Funktion. I, II. (Q1464150): Difference between revisions

Verf. versucht eine funktionentheoretische Charakterisierung der Riemannschen \(\zeta\)-Funktion, indem er den Satz beweist: Ist \(f(s)\) gleich einer ganzen Funktion von endlichem Geschlecht, dividiert durch ein Polynom, so ist \(f (s)=\text{ konst.}\;\zeta(s)\), wenn außerdem 1. \(f(s)\) in der Halbebene \(\mathfrak R(s)>1\) durch eine dort absolut konvergente Dirichletsche Reihe vom Typus \(\sum_{n=1}^\infty\frac{a_n}{n^s}\) dargestellt wird, 2. der Ausdruck \[ g(1-s)=\pi^{-s+\frac12}\frac{\varGamma\left(\dfrac s2\right)} {\varGamma\left(\dfrac {1-s}2\right)}f(s) \] auch seinerseits in einer Halbebene \(\text{Re}(s)<-\alpha\) (\(\alpha\) eine beliebige positive Zahl) in eine dort absolut konvergente beliebige Dirichletsche Reihe \(\sum_{n=1}^\infty\dfrac{b_n}{n^{1-s}}\) entwickelt werden kann. Die Bedingung 2 verlangt etwas weniger als die Befriedigung der Riemannschen Funktional\-gleichung, die man erhält, wenn man 2 durch die Forderung \(b_n=a_n\) verschärft. Der Beweis beruht darauf, daß man auf zweifache Art eine für \(\sigma<-\alpha\) absolut konvergente Integraldarstellung für die Funktion \[ G(s)=\frac{g(1-s)}{(s-2)(s-1)}= \int_0^\infty x^{s-3}\psi(x)\,dx \] ableitet. Das einemal geht man von der Dirichletschen Reihe für \(g(1 - s)\) aus und findet unmittelbar nach partieller Summation und Integration \[ \tag{\(*\)} \psi(x)=\begin{cases} 0&\text{ für }0\leqq x<1\\ \sum_{\nu=1}^mb_\nu(x-\nu)&\text{ für }m\leqq x<m+1. \end{cases} \] Das andere Mal benutzt man folgenden im \S 1 bewiesenen allgemeinen Hilfssatz: Bezeichnet \(f (s)\) eine im Streifen \(\alpha<\sigma<\beta\) \((s=\sigma+it)\) reguläre, analytische Funktion, so sei das Integral \(\int_{-\infty}^{+\infty}|f(\sigma+it)|\,dt\) für jeden Wert von \(\sigma\) des Intervalls \(\alpha<s<\beta\) konvergent, und es sei außerdem gleichmäßig in \(\sigma\) für \(\alpha+\delta\leqq\sigma\leqq\beta-\delta\) \[ \lim_{t=\infty}f(s)=0. \] Setzt man \[ \varphi(x)=\frac1{2\pi i}\int_{\sigma-i\infty}^{\sigma i+\infty} x^{-s}f(s)\,ds, \] so existiert für \(f(s)\) eine im Streifen \(\alpha<s<\beta\) absolut konvergente Integraldarstellung \[ f(s)=\int_0^\infty x^{s-1}\varphi(x)\,dx. \] Aus diesem Satze folgert man nach etwas Rechnung \[ \tag{\(**\)} \psi(x)=R(x)-\frac1{2\pi^2}\sum_{n=1}^\infty\frac{a_n}{n^2}(\cos2\pi nx-1); \] hierbei bezeichnet \(R(x)\) die Residuensumme von \(-x^{-s+2}G(s)\) im Streifen \(-\alpha-\delta\leqq\sigma\leqq1+\delta\). Durch Vergleichung der beiden für \(\psi(x)\) in (\(*\)) und (\(**\)) erhaltenen Ausdrücke erschließt man leicht aus der Periodizität der trigonometrischen Reihe in (\(**\)) den zu Anfang angegebenen Satz. Zum Schluß ergibt sich noch ein neuer Beweis für die Riemannsche Funktionalgleichung der \(\zeta\)-Funktion. In der zweiten Mitteilung wird die Frage nach den hinreichenden und notwendigen Bedingungen für die Funktion \(f(s)\) gestellt; wenn \(f(s)\) \textit{erstens} der Bedingung 1 genügt und \textit{zweitens} der unter 2 mit \(g(1 - s)\) bezeichnete Ausdruck sich in der Halbebene \(\text{Re}(s)<-\alpha\) durch eine dort absolut konvergente Dirichletsche Reihe des allgemeineren Typus \[ \sum_{n=1}^\infty\frac{b_n}{l_n^{1-s}}\qquad (0<l_1<l_2<\dots\to\infty) \] darstellen läßt. Die Antwort lautet: Die Reihe für \(g(1 - s\)) muß von der speziellen Form \[ g(1-s)=\sum_{\mu=0}^\infty\sum_{\kappa=1}^k\frac{b_\kappa}{(\mu+l_\kappa)^{1-s}}\qquad (0<l_1<l_2<\cdots l_k\leqq1) \] sein, wobei außerdem \[ l_{k-\kappa}=1-l_\kappa,\quad b_{k-\kappa}=b_\kappa \] ist. Endlich sind die Koeffizienten \(a_n\) der Dirichletschen Reihe für \(f (s)\) mit den \(b_\kappa\) und \(l_\kappa\) durch die Beziehungen \[ a_n=\sum_{\kappa=1}^kb_\kappa\cos2\pi nl_\kappa \] verknüpft. Der Beweis geht von demselben Ansatz aus wie die Beweise zu den entsprechenden Sätzen der 1. Mitteilung. Zum Schluß wird die entsprechende Frage für den Fall beantwortet, daß \(g(1 - s)\) an Stelle des unter 2 angegebenen Ausdrucks durch \[ g(1-s)=\pi^{-s+\frac12}\frac{\varGamma\left(\dfrac{s+1}2\right)} {\varGamma\left(\dfrac{2-s}2\right)} f(s) \] definiert wird. \{Bem.: Die erste Mitteilung ist in der Sitzung am 3. Juni 1920 der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelegt worden, konnte aber mit Rücksicht auf ihren Umfang und die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Drucklegung nicht in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Vgl. auch die Note gleichen Titels des Verfassers, die in den Sitzber. der Berl. Math. Ges. 19. Jahrgang (1921) erschienen ist.\}