Salomon Maimons Philosophie der Mathematik. (Q570966): Difference between revisions

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Verf. gibt eine zusammenhängende Darstellung der in verschiedenen Schriften verstreuten Beiträge \textit{Salomon Maimon}s zur Philosophie der Mathematik. Es ist interessant zu sehen, wie \textit{Maimon} schon manche Gedanken der modernen mathematischen Grundlagenforschung vorweggenommen hat. Die Axiome z. B. sind für ihn Definitionen der in ihnen enthaltenen Begriffe. Sie sind also nicht objektive Wahrheiten: \textit{Euklid} hätte auch andere Sätze an den Anfang stellen und aus ihnen Folgerungen ziehen können, ohne daß sein Werk dadurch schlechter geworden wäre; nur hätte man die erhaltenen Sätze nicht praktisch anwenden können. \textit{Maimon} ist jedoch keineswegs reiner Formalist; seine Auffassung vom Wesen der Mathematik ist eine dualistische: Läßt man als Erkenntnisquelle nur den ``Verstand'' zu, so erhält man die obigen Resultate; zieht man aber im Sinne \textit{Kant}s als weitere Erkenntnisquelle die ``Anschauung'' hinzu, so sieht man, daß die euklidischen Axiome ``metaphysisch wahr'' sind; sie sind jedoch nicht evident, sondern bloß ``subjektiv notwendig'', sie werden uns durch unsere Anschauung aufgedrängt, ohne daß unser Verstand diese Notwendigkeit einsieht. -- \textit{Maimon} stimmt mit \textit{Kant} in der Ansicht überein, daß die mathematischen Axiome synthetisch seien: sie würden erst durch die Anschauung konstruierbar. Aber dies ist nicht ihre objektive Eigenschaft, sondern liegt an der Mangelhaftigkeit unseres Verstandes; für einen unendlichen Verstand müßten sie analytisch sein. Die Anschauung, die so einerseits als lästiger Zwang erscheint, kann aber andrerseits auch zu legitimen neuen Erkenntnissen führen; z. B. ist die Widerspruchslosigkeit eines Satzes durch die Konstruktion beweisbar -- auch dies ein Gedanke, der in der modernen Forschung eine Rolle spielt. (I 2.)
Property / review text: Verf. gibt eine zusammenhängende Darstellung der in verschiedenen Schriften verstreuten Beiträge \textit{Salomon Maimon}s zur Philosophie der Mathematik. Es ist interessant zu sehen, wie \textit{Maimon} schon manche Gedanken der modernen mathematischen Grundlagenforschung vorweggenommen hat. Die Axiome z. B. sind für ihn Definitionen der in ihnen enthaltenen Begriffe. Sie sind also nicht objektive Wahrheiten: \textit{Euklid} hätte auch andere Sätze an den Anfang stellen und aus ihnen Folgerungen ziehen können, ohne daß sein Werk dadurch schlechter geworden wäre; nur hätte man die erhaltenen Sätze nicht praktisch anwenden können. \textit{Maimon} ist jedoch keineswegs reiner Formalist; seine Auffassung vom Wesen der Mathematik ist eine dualistische: Läßt man als Erkenntnisquelle nur den ``Verstand'' zu, so erhält man die obigen Resultate; zieht man aber im Sinne \textit{Kant}s als weitere Erkenntnisquelle die ``Anschauung'' hinzu, so sieht man, daß die euklidischen Axiome ``metaphysisch wahr'' sind; sie sind jedoch nicht evident, sondern bloß ``subjektiv notwendig'', sie werden uns durch unsere Anschauung aufgedrängt, ohne daß unser Verstand diese Notwendigkeit einsieht. -- \textit{Maimon} stimmt mit \textit{Kant} in der Ansicht überein, daß die mathematischen Axiome synthetisch seien: sie würden erst durch die Anschauung konstruierbar. Aber dies ist nicht ihre objektive Eigenschaft, sondern liegt an der Mangelhaftigkeit unseres Verstandes; für einen unendlichen Verstand müßten sie analytisch sein. Die Anschauung, die so einerseits als lästiger Zwang erscheint, kann aber andrerseits auch zu legitimen neuen Erkenntnissen führen; z. B. ist die Widerspruchslosigkeit eines Satzes durch die Konstruktion beweisbar -- auch dies ein Gedanke, der in der modernen Forschung eine Rolle spielt. (I 2.) / rank
 
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Revision as of 16:01, 1 July 2023

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Salomon Maimons Philosophie der Mathematik.
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    Salomon Maimons Philosophie der Mathematik. (English)
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    1931
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    Verf. gibt eine zusammenhängende Darstellung der in verschiedenen Schriften verstreuten Beiträge \textit{Salomon Maimon}s zur Philosophie der Mathematik. Es ist interessant zu sehen, wie \textit{Maimon} schon manche Gedanken der modernen mathematischen Grundlagenforschung vorweggenommen hat. Die Axiome z. B. sind für ihn Definitionen der in ihnen enthaltenen Begriffe. Sie sind also nicht objektive Wahrheiten: \textit{Euklid} hätte auch andere Sätze an den Anfang stellen und aus ihnen Folgerungen ziehen können, ohne daß sein Werk dadurch schlechter geworden wäre; nur hätte man die erhaltenen Sätze nicht praktisch anwenden können. \textit{Maimon} ist jedoch keineswegs reiner Formalist; seine Auffassung vom Wesen der Mathematik ist eine dualistische: Läßt man als Erkenntnisquelle nur den ``Verstand'' zu, so erhält man die obigen Resultate; zieht man aber im Sinne \textit{Kant}s als weitere Erkenntnisquelle die ``Anschauung'' hinzu, so sieht man, daß die euklidischen Axiome ``metaphysisch wahr'' sind; sie sind jedoch nicht evident, sondern bloß ``subjektiv notwendig'', sie werden uns durch unsere Anschauung aufgedrängt, ohne daß unser Verstand diese Notwendigkeit einsieht. -- \textit{Maimon} stimmt mit \textit{Kant} in der Ansicht überein, daß die mathematischen Axiome synthetisch seien: sie würden erst durch die Anschauung konstruierbar. Aber dies ist nicht ihre objektive Eigenschaft, sondern liegt an der Mangelhaftigkeit unseres Verstandes; für einen unendlichen Verstand müßten sie analytisch sein. Die Anschauung, die so einerseits als lästiger Zwang erscheint, kann aber andrerseits auch zu legitimen neuen Erkenntnissen führen; z. B. ist die Widerspruchslosigkeit eines Satzes durch die Konstruktion beweisbar -- auch dies ein Gedanke, der in der modernen Forschung eine Rolle spielt. (I 2.)
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