Zur Theorie der infinitesimalen Biegungsdeformationen einer Fläche. (Q1518664)
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English | Zur Theorie der infinitesimalen Biegungsdeformationen einer Fläche. |
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Zur Theorie der infinitesimalen Biegungsdeformationen einer Fläche. (English)
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1897
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Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildet die von Darboux angegebene Darstellung der Coordinaten \(x_1,x_2,x_3\) der Punkte einer krummen Fläche \(F\), die in die Identität \[ \sum ax = \int(a\Theta\Theta_u)(D'du+D''dv) - \int(a\Theta\Theta_v)(Ddu+D'dv)\tag{\(\text{I}\)} \] zusammengefasst werden kann; \(a_1,a_2,a_3\) sind willkürliche Grössen. Aus (I) folgt, dass \(\Theta_1,\Theta_2,\Theta_3\) den Richtungscosinus der Flächennormale \(p_1,p_2,p_3\) und \(D,D',D''\) den Fundamentalgrössen zweiter Ordnung \(E,F,G\) der Fläche \((x)\) proportional sind. Bezeichnet man den ersten Proportionalitätsfactor mit \(r\), so wird der zweite \[ -\frac1{\sqrt{eg-f^2}\cdot K}\cdot\frac1{r^2}; \] \(e,g,f\) sind die Fundamentalgrössen erster Ordnung, \(K\) bedeutet das Gauss'sche Krümmungsmass. Setzt man diese Werte in (I) ein, so hebt sich \(r\) überall weg, bleibt also willkürlich. Diese Willkürlichkeit kann man benutzen, und das ist der grundlegende Gedanke von Voss, um den Integrabilitätsbedingungen von (I): \[ \frac{\partial}{\partial u}(D''\Theta_u-D'\Theta_v) + \frac{\partial}{\partial v}(D\Theta_v-D'\Theta_u) = M\Theta, \tag{\(\text{II}\)} \] die für \(\Theta=\Theta_1,\Theta_2,\Theta_3\) erfüllt sein müssen, eine einfache Normalform zu erteilen, die, was ein wesentlicher Fortschritt ist, für jedes System Gauss'scher Coordinaten erreicht werden kann. Es wird nämlich \[ M=0, \] wenn \(\psi=\frac1r\) der linearen homogenen partiellen Differentialgleichung zweiter Ordnung \[ \frac{\partial}{\partial u}\left(\frac{G\psi_u-F\psi_v}{\sqrt{eg- f^2}\cdot K}\right) + \frac{\partial}{\partial v}\left(\frac{E\psi_v- F\psi_u}{\sqrt{eg-f^2}\cdot K}\right) + \sqrt{eg-f^2}\cdot H\cdot\psi =0\tag{\(\text{A}\)} \] Genüge leistet, in der \(H\) die mittlere Krümmung der Fläche \((x)\) bedeutet. Wenn die Integrabilitätsbedingungen (II) vermöge geeigneter Wahl von \(r\) die Gestalt \[ \frac{\partial}{\partial u}(D''\Theta_u-D'\Theta_v) + \frac{\partial}{\partial v}(D\Theta_v-D'\Theta_u) = 0\tag{\(\text{B}\)} \] annehmen, so nennt Voss die Fläche \(F\) adjungirt zu der Fläche \(\Theta\) mit den cartesischen Coordinaten \(\Theta_1,\Theta_2,\Theta_3\); die Flächen \(F\) und \(\Theta\) entsprechen sich so, dass der Radiusvector von \(\Theta\) der Normale von \(F\) parallel ist. Bezeichnet man ferner die Fundamentalgrössen zweiter Ordnung von \(\Theta\) mit \(E_1,F_1,G_1\), so ist die simultane Invariante \[ EG_1-2FF_1+GE_1=0. \] Erfährt \(F\) eine infinitesimale Biegung, so mögen sich \(x_1,x_2,x_3\) um die ,,Verschiebungscomponenten'' \(\varepsilon\varphi_1,\varepsilon\varphi_2,\varepsilon\varphi_3\) ändern. Die Functionen \(\varphi_1,\varphi_2,\varphi_3\) kann man wieder als Coordinaten einer neuen Fläche \(\varphi\) betrachten, die zu der Fläche \(\Theta\) in einer bemerkenswerten Beziehung steht. Wird (B) durch \[ \left\{\begin{aligned} D'\Theta_u-D\Theta_v &= \varphi_u,\\ D''\Theta_u-D'\Theta_v &= \varphi_v\end{aligned}\right.\tag{\(\text{C}\)} \] befriedigt, so sind \(\varepsilon\varphi_1,\varepsilon\varphi_2,\varepsilon\varphi_3\) die Verschiebungscomponenten einer unendlich kleinen Biegung von \(F\), und umgekehrt entsprechen auch alle infinitesimalen Biegungen von \(F\) den Lösungen der partiellen Differentialgleichung (B). Die Coordinaten \(\varphi_1,\varphi_2,\varphi_3\) jeder infinitesimalen Biegung von \(F\) sind nämlich durch die Ansdrücke gegeben: \[ \begin{aligned} \varphi_u &= \varrho(D'\Theta_u-D\Theta_v) - (\varrho_uD'- \varrho_vD)\Theta,\\ \varphi_v &= \varrho(D''\Theta_u-D'\Theta_v) - (\varrho_uD''- \varrho_vD')\Theta,\end{aligned} \] wo \(\varrho\) der partiellen Differentialgleichung: \[ \frac{\partial}{\partial v}(\varrho_vD-\varrho_uD') + \frac{\partial}{\partial u}(\varrho_uD''-\varrho_vD') =0 \] genügt. Ans den Gleichungen (C) möge sich ergeben: \[ \left\{\begin{aligned} d'\varphi_u-d\varphi_v &= \Theta_u,\\ d''\varphi_u-d'\varphi_v &= \Theta_v.\end{aligned}\right.\tag{\(\text{D}\)} \] Alsdann ist zu der Fläche \(\varphi\) adjungirt eine Fläche \(\Phi\) mit den Coordinaten \(\xi_1,\xi_2,\xi_3\) vermöge der für willkürliche \(b_1,b_2,b_3\) gültigen Gleichung: \[ \sum b\xi = \int(b\varphi\varphi_u)(d'du+d''dv) - \int(b\varphi\varphi_v)(ddu+d'dv), \] und jetzt schliesst sich der Ring, denn nach (D) sind die Verschiebungscomponenten einer unendlich kleinen Biegung von \(\Phi\) nichts anderes als \(\varepsilon\Theta_1,\varepsilon\Theta_2,\varepsilon\Theta_3\), so dass man zu der Fläche \(\Theta\) zurückgelangt. Die Flächen \(\Theta\) und \(\varphi\) haben in entsprechenden Punkten parallele Normalen. Bezeichnet man ferner die Fundamentalgrössen zweiter Ordnung von \(\varphi\) mit \(E_2,F_2,G_2\), so ist die simultane Invariante \[ E_1G_2-2F_1F_2+G_1E_2=0. \] Die Flächen \(\Theta\) und \(\varphi\) sind daher in dem Sinne von Bianchi associirt, und man erkennt sofort, dass zwischen \(\Theta\) und \(\varphi\) völlige Reciprocität besteht. Sind z. B. \(\varepsilon x_1,\varepsilon x_2,\varepsilon x_3\) die Verschiebungscomponenten einer unendlich kleinen Biegung von \(\Phi\), so sind \(\varepsilon\xi_1,\varepsilon\xi_2,\varepsilon\xi_3\) die einer solchen von \(\Theta\). Ebenso beweist man sofort, dass der Abstand der Tangentialebene der einen dieser Flächen vom Anfangspunkte eine charakteristische Function der Deformation (Verschiebungsfunction nach Weingarten) der anderen Fläche ist. Auch zwischen den Flächen \(F\) und \(\Theta\) findet in gewisser Weise eine Reciprocität statt. Um nämlich bei gegebener Fläche \(\Theta\) alle Flächen \(F\) zu finden, die zu \(\Theta\) adjungirt sind, hat man \(\Theta\) allen infinitesimalen Biegungsdeformationen zu unterwerfen. Der Schluss der Abhandlung bringt zahlreiche Anwendungen der im Vorstehenden skizzirten allgemeinen Theorie der infinitesimalen Biegungen krummer Flächen, die sich als sehr fruchtbar erweist. Es handelt sich dabei um die Kinematik der infinitesimalen Biegungen, für die die Fläche \(\Theta\) von fundamentaler Bedeutung ist, um die Deformation von geradlinigen Flächen und um die Ableitung neuer Deformationen aus bereits bekannten.
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