Singularities in linear wave propagation (Q1107012)

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English
Singularities in linear wave propagation
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    Singularities in linear wave propagation (English)
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    1987
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    Offenbar muß die Weltlinie eines Photons (sofern diese Vorstellung überhaupt sinnvoll ist) mit einer erzeugenden Geraden \(\gamma\) des Lichtkegels zusammenfallen. Bei Betrachtung dieser physikalischen Situation drängt sich die mathematische Frage auf, ob es eine Distributionslösung der Wellengleichung (1) \(\Delta_3 u - (1/c^2) u_{tt} = 0\) gibt, deren Träger mit der Weltlinie \(\gamma\) zusammenfällt. Natürlich würde eine solche Lösung nicht jene wohlbestimmte Frequenz widerspiegeln, die man mit einem Photon zu assoziieren gewohnt ist. Dennoch würde es einerseits für die Wellengleichung als einer wichtigen Modellgleichung der mathematischen Physik einen physikalisch relevanten Unterschied machen, ob eine solche Lösung existiert oder nicht existiert, während andererseits keine einfachen physikalischen Gründe vorzuliegen scheinen, um dieses Dilemma a priori zu lösen. Abgesehen von ihrem potentiellen physikalischen Interesse würde eine solche Lösung (falls sie existiert) die drastischste Illustration jenes aus den ''Mathematical Methods of Physics (Vol. II)'' von Courant-Hilbert wohlbekannten und im Titel des hier besprochenen Werkes anklingenden Slogans liefern, wonach ''singularities propagate along characteristics''. Obwohl die Frage, ob eine solche Lösung von (1) existiert, sowohl interessant als auch elementar ist, ist sie anscheinend in den üblichen Lehrbüchern der Distributionstheorie nicht aufgeworfen worden. Die Entscheidung über diese Frage fällt nun zuungunsten der Existenz solcher Lösungen aus! Die Vorstellung von ''beliebig scharf konzentrierten Ätherimpulsen'' ist allerdings viel zu suggestiv, als daß man sich mit diesem negativen Bescheid einfach hätte abfinden können. Obwohl nämlich der Wunsch nach einer Lösung u von (1) mit \(\text{supp}u \subset \gamma\) nicht erfüllt werden kann, so kann man doch (nun wieder mit Aussicht auf Erfolg) einerseits nach Lösungen fragen, wo zwar nicht mehr der Träger selbst, aber wenigstens der singuläre Träger mit \(\gamma\) zusammenfällt und andererseits nach Lösungen mit der Eigenschaft, daß zwar deren Träger nicht mehr in \(\gamma\) liegt, aber wenigstens der größte Teil ihrer ''Schwingungsenergie'' in einer möglichst schmalen Umgebung von \(\gamma\) konzentriert ist. Fragen dieser Art (sowie ihren Verallgemeinerungen) ist die hier zur Besprechung vorliegende Niederschrift einer 1986 in China gehaltenen Vorlesung gewidmet. Sei \(n\in \mathbb N\), \(U\) die Menge aller in \(\mathbb R^ n\) definiert en regulären Funktionen, deren Träger in einem Halbraum der Form \(x_1 ge c\) e nthalten ist, \(D\) die Menge aller (auf \(U\) eingeschränkten) Differentialoperatoren mit konstanten Koeffizienten, Hyp die Teilmenge von \(D\) aller in \(x_1\)-Richtung (Zeitachse) hyperbolischen Differentialoperatoren und \(e_\eta : = e^{i\langle i\cdot,\;eta\rangle}\). F\ ''ur \(P\in \text{Hyp}\) ist \(P\) invertierbar und man hat \(P^{-1}\varphi= E*\varphi\), wobei \(E\) die übliche Fundamentallösung von \(P\) bedeutet. Eine zentrale Rolle bei der Bearbeitung der oben aufgeführten Fragen spielt nun eine sehr interessante, aus einer früheren Arbeit von \textit{M. F. Atiyah}, \textit{R. Bott} und dem Verf. [Acta Math. 124, 109-189 (1970; Zbl 0191.11203)] übernommene, letztlich auf \textit{L. Hörmander} [Proc. Inter. Conf. Funct. Anal. related Topics, Tokyo 1969, 31-40 (1970; Zbl 0191.10901)] zurückgehende Abbildung \(A: \text{Hyp}\times \mathbb R^ n \to \text{Hyp}\). Für \(P\in \text{Hyp}\) und \(\eta\in \mathbb R^ n\) wird \(A(P, eta) = :P_\eta\) als ''Lokalisierung von \(P\) in Richtung \(\eta\)'' bezeichnet. Der Nutzen dieser ''Lokalisierung'' besteht in ihrem vereinfachenden Charakter; häufig ist nämlich \(P_\eta\) vom Typus einer Richtungsableitung und dementsprechend der Träger der Fundamentallösung \(E\;sb\eta\) von \(P_\eta\) eine in einer Erzeugenden des entspr. ''Lichtkegels'' enthaltene Halbgerade. Der entscheidende Zusammenhang zwischen \(P\) und \(P_\eta\) lautet nun (\(a\) geeignet) \(t^{-a} e_{-t\eta}Pe_{t\eta} \to P_\eta\) für \(t \to \infty\). Für die Umkehroperatoren gilt eine entsprechende Relation, nämlich \(t^ a e_{-t\eta} P^{-1} e_{t\eta} \to P^\eta_{-1 }\), welche sich auch in der Form (2) \(t^ a e_{-t\eta} (E*(e_{t\eta} h)) \to E_\eta *h\) schreiben läßt. Unter Verwendung der Identität \(e_{-t\eta} (E*(e_{t\eta})) = (e_{-t\eta} E)*h\) folgt aus (2) schließlich (3) \(t^ ae_{-t\eta} E \to E_\eta\). (Unsere Formeln (2) und (3) stimmen mit den Formeln (1.4.4) und (1.4.3) der vorliegenden Arbeit überein, wobei allerdings bei der dort gewählten Art der Herleitung der auf der linken Seite von (2) auftretende Phasenfaktor \(e_{-t\eta}\) verloren gegangen ist.) Wenn nun also \(P_\eta\) vom Typus einer Richtungsableitung ist, so kann man für genügend großes \(t\) die Lösung \(u = P^{-1} (E_{t\eta}h)\) der Differentialgleichung \(Pu = e_{t\eta}h\) durch den viel einfacheren Ausdruck \(t^{-a} e_{t\eta} P_\eta^{- 1}h\) approximieren, dessen ''Energie'' nach dem weiter oben über den Träger von \(E_ \eta\) Gesagten um so stärker in der Nähe einer Erzeugnenden des entspr. Lichtkegels konzentriert ist, je kleiner der Träger von \(h\) ist. Die Inhomogenität \(e_{t\eta} h\) de r zuletzt genannten Differentialgleichung kann physikalisch als eine raumzeitlich konzentrierte, gerichtete, monochromatische Strahlungsquelle interpretiert werden. Es verwundert nicht, daß Überlegungen der voranstehenden Art zu einer Fülle von Anwendungen fähig sind. Wir verweisen auf \textit{J. Ralston} [Studies in partial differential equations, MAA Stud. Math. 23, 246-248 (1982; Zbl 0533.35062)], wo Lösungen mit dem Verhalten von \(t^{-a} e_{t\eta} P_\eta\;sp{-1} h\) als ''Gaußsche Strahlen'' bezeichnet werden und wo auch Hinweise auf ingenieurmäßige Anwendungen gegeben werden. Man hat allerdings zu beachten, daß im Ingenieurbereich unter einem ''Gaußschen Strahl'' nicht das bisher ausschließlich betrachtete einzelne Photon (Lichtsignal) verstanden wird, sondern eine Art ''Maschinengewehrfeuer'' von räumlich dicht hintereinanderlaufenden Photonen; vergl. \textit{H. Kogelnik} und \textit{T. Li} [Proc . IEEE 54, 1312-1329 (1966)], wo ein interessanter Zusammenhang zur zeitabhängigen Schrödingergleichung der kräftefreien Bewegung hergestellt wird. Nach einem Vorschlag von U.-W. Schmincke (Aachen) kann man diese unterschiedlichen Versionen eines ''Gaußschen Strahls'' durch die Namen ''Weltstrahl'' bzw. ''Raumstrahl'' terminologisch unterscheiden. ''Gaußsche Strahlen'' treten aber schon viel früher unter dem Namen ''Einsteinsche Nadelstrahlung'' auf (vergl. \textit{C. Wilhelm Oseen} [Ann. Phys. 69, 202-204 (1922)] und \textit{Peter Debye} [Phys. Zeitschr. 24, 161-166 (1923)] sowie insbesondere W. Heisenbergs halbklassische Diskussion der spontanen Emission eines Photons durch ein Atom auf p. 65 von [''Die physikalischen Prinzipien der Quantentheorie'' (1942; Zbl 0028.13301)], wo die Strahlungsquelle \(_{t\eta} h\) als Superposition der Wellenfunktionen von Anfangs- und Endzustand des betr. Atoms realisiert wird). Neben dem bisher nur zur Sprache gekommenen einfachsten Fall (\(P_\eta\) ein Differentialoperator 1. Ordnung) wird in dem hier zur Besprechung vorliegenden Werk insbesondere der zweiteinfachste Fall hervorgehoben, wo \(P_\eta\) bereits selbst ein Differentialoperator 2. Ordnung sein kann. Dieser Fall tritt bei geeigneter Wahl von eta bei der mathematischen Beschreibung optisch zweiachsiger Kristalle auf (der Ausgangsoperator \(P\) ist in diesem Fall von 4. Ordnung) und führt zu einem überraschend einfachen mathematischen Modell der sog. ''konischen Refraktion''. (In diesem Fall entsteht auch die interessante Frage, ob man den Iterationen der ''Lokalisierung'' einen physikalischen Sinn zuordnen kann.) Man darf nun vielleicht ebenso einfache mathematische Modelle des Poggendorfschen Dunkelrings (auf Ansätze in dieser Richtung wird im vorliegenden Werk hingewiesen) sowie des Voigtschen Dunkelflecks [vergl. \textit{W. Voigt}, Phys. Z. 6, 818-820 (1905)] erhoffen. Dem Leser soll nun abschließend nicht verschwiegen werden, daß wir mit unserer Besprechung nur eines von möglicherweise mehreren Eingangstoren in das im vorliegenden Werk dargestellte umfangreiche Theoriegebäude beschrieben haben. Es ist aber u.~E. dieses Tor, das für die Kenner und Liebhaber des oben bereits einmal erwähnten Werks von Courant-Hilbert bestimmte Tor, durch welches diese Lesergruppe noch am ehesten Eingang findet in das erstaunliche Land der sog. mikrolokalen Analysis, welches vor unseren Augen in der jüngsten Vergangenheit gleichsam aus dem Nichts enstanden ist.
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