Weierstraß's lecture on the ``Introduction to the theory of analytical functions'' (Q1203017)

Die Vorlesung hat Weierstraß etwa von 1860 bis 1890 regelmäßig als erste eines viersemestrigen Zyklus gehalten. Es sind 19 Mitschriften bekannt. Für die vorliegende Analyse lagen vollständig vor die (bisher nur zum Teil publizierten) Mitschriften von Killing (1868), Hettner (1874), Hurwitz (1878), Adolf Kneser (1880/81). Stoff und Aufbau haben sich über die Jahrzehnte kaum verändert: Zahlbegriff, geschichtliche Entwicklung des Funktionsbegriffs (in W.'s sehr eigentümlicher Sicht), Funktionenreihen, wenig Differentialrechnung, fast nie Integralrechnung, analytische Funktionen, Kreiskettenverfahren, Funktionen mehrerer Veränderlicher und Potenzreihen dazu, Vorbereitungssatz, analytische Gebilde, isolierte Singularitäten, Produktsatz. Die vergleichende Betrachtung der Mitschriften untermauert die Einschätzung von W.'s Vorlesungen: Aufbau der Mathematik `von unten noch oben', beginnend mit einem naiven natürlichen Zahlbegriff; allmähliches Vordringen epsilontischer Strenge unter Beibehaltung des Primats der Potenzreihen, später auch der gleichmäßig konvergenten Reihen von Polynomen, im Funktionsbegriff; enger Bezug der Einführungsvorlesungen zu eigenen Originalpublikationen; Gedanken anderer wurden so lange `durch die Mühle seines Kalküls gedreht, bis sie in das Bauwerk seiner Mathematik paßten, so daß kein Vergleich mit anderen Theorien mehr möglich war' (S. 168). Mathematikgeschichtlich ist bemerkenswert, daß W. in seinen Vorlesungen historische Bezüge nur insoweit einbrachte, als sie in seine Grundlegung paßten, was Einfluß auf die Historiographie der Analysis hatte, und daß sein Vorlesungsstil über seine vielen Hörer den Schul- und Universitätsunterricht nachhaltig beeinflußte.