Über die angebliche Integration einer trigonometrischen Funktion bei \textit{Kepler}. (Q1479326)

Im Jahre 1888 veröffentlichte \textit{S.\ Günther} in der ``Bibliotheca Mathematica'' einen Artikel (vgl. F. d. M. 20, 29 (JFM 20.0029.*)-30; 1888), worin er behauptete, \textit{Kepler} habe bereits verstanden, das einfachste unter den Integralen goniometrischer Funktionen, nämlich \(\displaystyle\int\limits_0^\varphi \sin\varphi\,d\varphi\), auszuwerten, und die meisten der neuesten Geschichtsschreiber der Mathematik schließen sich der \textit{Günther}schen Auffassung an. \textit{Eneström} hat indessen die von \textit{Günther} angeführten Belegstellen bei \textit{Kepler} kritisch untersucht und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: A. Man hat keinen Grund anzunehmen, daß \textit{Kepler}, als er seine ``Astronomia nova'' bearbeitete, an eine Integration von \(\sin \varphi\) gedacht hat. B. Es gibt keinen wirklichen Beleg dafür, daß \textit{Kepler} den Satz, in den man die Integration von \(\sin \varphi\) hineingelesen hat, auf empirischem Wege gefunden hat; es ist wenigstens ebenso wahrscheinlich, daß er den Satz unmittelbar oder mittelbar aus zwei Sätzen der \textit{Archimedi}schen Schrift über Kugel und Zylinder hergeleitet hat. C. In der ``Epitome astronomiae Copernicanae'' spricht \textit{Kepler} allerdings von einem Satze, der einer Integration von \(\sin\varphi\) entsprechen sollte; aber die Integration selbst hat \textit{Kepler} nicht ausgeführt, und aus seinem Satze geht nur hervor, daß \(\displaystyle\int\limits_0^\varphi \sin \varphi\, d\varphi\) dem \(\sin\) vers \(\varphi\) proportional ist. Hätte \textit{Kepler} versucht, die Integration wirklich auszuführen, so wäre er durch seinen Satz zu einem unrichtigen Wert des Integrals geführt worden.