Über die topologischen Invarianten mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten. (Q1491481)

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Über die topologischen Invarianten mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten.
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    Über die topologischen Invarianten mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten. (English)
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    1908
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    In neuerer Zeit ist die Analysis situs durch eine Reihe von Arbeiten \textit{Poincarés} (F. d. M. 26, 541, 1895, JFM 26.0541.06; 30, 435, 1899, JFM 30.0435.02; 31, 477, 1900, JFM 31.0477.10; 33, 499, 500, 1902, JFM 33.0499.11, JFM 33.0500.01; 35, 504, 1904, JFM 35.0504.13) wesentlich gefördert worden. Der Verf. beschäftigt sich mit der folgenden neuen Frage. Man weiß, unter welchen notwendigen und hinreichenden Bedingungen sich zwei zweidimensionale Mannigfaltigkeiten \(M_2\) eineindeutig stetig aufeinander beziehen lassen; für mehrdimensionale Mannigfaleiten \(M_n\) war die entsprechende Frage noch eine offene. Allerdings hat \textit{Poincaré} die Existenz einer ganzen Reihe topologischer Invarianten der \(M_n\) gelehrt, die bei umkehrbar eindeutiger und stetiger Transformation der \(M_n\) ungeändert bleiben, woraus als \textit{notwendige} Bedingung der in Rede stehenden Beziehbarkeit die Übereinstimmung jener Invarianten folgt. Der Verf. untersucht die gegenseitige Stellung der bekannten topologischen Invarianten und findet, daß sich aus der ``Fundamentalgruppe'' einer zweiseitigen geschlossenen \(M_3\) alle anderen Invarianten ableiten lassen, also insbesondere die \textit{Betti}sche Zahl, die \textit{Poincaré}schen Torsionszahlen und eine Zahl \(Q\). Dies folgt im wesentlichen aus dem Satze, daß jeder diskreten, aus einer endlichen Anzahl von erzeugenden Operationen bestehenden Gruppe gewisse charakteristische Zahlen, die sogenannten ``\textit{Poincaré}schen'', zugehören. Auf die Fundamentalgruppe angewendet, liefert dies sofort die Torsionszahlen erster Ordnung. Zunächst wird der Mannigfaltigkeitsbegriff begrenzt auf Grund einer bestimmten, als ``Zellensystem'' bezeichneten Darstellungsform. Hierdurch wird ein von dem Heranziehen unendlicher Punktmengen oder funktionentheoretischer Hülfsmittel freier, ``rein kombinatorischer'' Aufbau der Analysis Situs ermöglicht, da ein Zellensystem durch eine endliche Anzahl von Elementen und eine endliche Anzahl von Verknüpfungen zwischen denselben festgelegt ist. So beziehen sich insbesondere die obigen, die Fundamentalgruppe betreffenden Resultate auf das Zellensystem als selbständiges Objekt. Andererseits wird aber auch die Beziehunq der Zellensysteme zu den Punktmannigfaltigkeiten betont, sodaß das Zellensystem nach dem Vorgange von \textit{Poincaré} den Charakter eines Mittels zur Darstellung von Mannigfaltigkeiten erhält. Allerdings ist die Übertragung mancher Sätze, die sich im Gebiete der kombinatorischen Analysis situs leicht erledigen lassen, auf das Gebiet der Mannigfaltigkeiten nicht ohne weiteres zulässig. In diesem Sinne hat man z. B. zwischen topologischen Invarianten der ``Schemata'' und solchen der Mannigfaltigkeiten zu unterscheiden. In den Entwicklungen des Verf. dient die Anschauung wesentlich als ein Mittel, um wenigstens einen ersten Schritt zur Erledigung der betreffenden Fragen zu machen. Im ersten Abschnitt werden die Schemata mehrdimensionaler Mannigfaltigkeiten untersucht. Versteht man unter zwei ``homöomorphen'' Punktmengen solche, die sich eineindeutig und umkehrbar stetig aufeinander beziehen lassen, so handelt es sich ganz allgemein um diejenigen Eigenschaften einer Punktmenge, die beim Übergange zu einer homöomorphen erhalten bleiben. Man wird sich indessen auf zusammenhängende Punktmengen \(M_n\) beschränken. Die Definition der Mannigfaltigkeit \(M_n\) wird an gewisse Darstellungsformen angeknüpft, indem jene als eine Gesamtheit von Punkten \((x_1,\dots, x_n)\) im \(R_n\) angegeben wird, wobei jeder Punkt der \(M_n\) durch ein einziges Werte-\(n\)-tupel dargestellt wird und umgekehrt. Darüber hinaus wird das von \textit{Klein} (für \(n = 2\)) ausgebildete Prinzip, aus berandeten Flächenstücken durch Zuordnungen von Stücken der Randlinien \(M_2\) festzulegen, auf den Fall \(n\) nach dem Vorgange von \textit{Poincaré} übertragen, und führt alsdann zum Begriffe des ``Zellensystems'' (``Schemas''). Allgemein wird das Wesen einer \(M_2\) festgelegt einmal durch Angabe ihrer Punkte, andererseits durch geeignete Bestimmungen über die ``Nachbarschaft'' der einzelnen Punkte. Ein einfachstes Schema einer \(M_n\) erhält man durch ein System von Vorschriften, das bei einem Kreise mit in \(n\) Teile geteilter Peripherie (``Polygon'') gewisse Zuordnungen zwischen den Seiten und Ecken festlegt. Als weiteres Muster können die Fundamentalbereiche automorpher Funktionen dienen. Die so durch Schemata definierten \(M_2\) werden in ``zweiseitige'' und ``einseitige'' unterschieden; ferner wird der Begriff der ``geschlossenen'' und der ``zusammenhängenden'' \(M_2\) aufgestellt. Der Begriff des ``Homöomorphen'' wird auf die Schemata selbst übertragen. Analog wird, um zu einem einfachsten Typus einer \(M_3\) zu gelangen, die Oberfläche einer Kugel durch eine endliche Anzahl auf derselben verlaufender Linienstücke (``Kanten'') in eine endliche Anzahl einfach zusammenhängender Polygone eingeteilt, von denen gewisse zu je zweien einander zugeordnet werden. Hierbei ist für jedes Polygon ein gewisser Umlaufssinn als positiver festzusetzen. Es lassen sich nun Zykeln zugeordneter Kanten aufstellen, ganz wie im Falle der \(M_2\) solche zugeordneter Ecken. Die Zuordnung der Kanten bedingt von selbst eine solche der Ecken der Polygoneinteilung. Die Punkte einander zugeordneter Polygone werden eineindeutig stetig und unter Berücksichtigung des Sinnes und der Seitenzuordnung aufeinander bezogen, wodurch ein einfachstes ``Schema'' einer \(M_3\) definiert wird. Eine Verallgemeinerung tritt dadurch ein, daß gewisse Ecken und Kanten von der \(M_3\) auszunehmen sind. Von einer einzelnen Kugel steigt man weiter zu einer endlichen Anzahl von Kugeln auf, deren Oberflächen in Polygone eingeteilt sind, indem man zwischen diesen Polygonen paarweise Zuordnungen festlegt. Werden keine Punkte oder Kanten ausgeschieden, und kommen auch keine freien Polygone vor, so heißt die \(M_3\) ``geschlossen''. Die einzelnen Kugeln heißen ``Zellen'' des \(M_3\)-Schemas; unter ``Lamelle'' ist entweder ein freies Polygon oder ein Paar zugeordneter Polygone zu verstehen. Diese Begriffsbildungen werden auf \(M_n\) ausgedehnt. Der zweite Abschnitt ist den \textit{Betti}schen Zahlen gewidmet. Die \(m\)-dimensionalen Zellen des Schemas einer \(M_n = V\) stellen einen besonders wichtigen Fall in \(V\) gelegener \(m\)-dimensionaler Raumstücke dar. Deren Lagebeziehungen werden durch gewisse symbolische ``Kongruenzen'' ausgedrückt, die das ``\textit{Poincaré}sche Relationensystem'' von \(V\) für das betreffende Schema darstellen. Unter ``Homologie'' wird eine weitere derartige Kongruenz verstanden, die das Vorhandensein gewisser, jener Kongruenz genügender Raumstücke in \(V\) angibt. Für Kongruenzen und insbesondere Homologien gelten einfache Rechnungsgesetze. Ist dann \(t\) die höchste Anzahl zweiseitiger geschlossener \(m\)-dimensionaler in \(V\) gelegener Mannigfaltigkeiten \(W_1^{(m)},\dots,W_t^{(m)}\), zwischen denen keine Homologie besteht, so ist \(t\) eine topologische Invariante von \(V\), die für homöomorphe \(V\) den gleichen Wert hat; die Zahl \(t + 1\) wird die \(m\)-te \textit{Betti}sche Zahl genannt und mit \(P_m\) bezeichnet \((m = 1, 2,\dots, n - 1 )\). Hierbei ist allerdings die stillschweigende Voraussetzung, daß ein derartiges System von Mannigfaltigkeiten existiert; und es sind noch drei weitere Annahmen über die Natur von \(V\) erforderlich; der Grad der Berechtigung dieser Annahmen wird ausführlich diskutiert. Für die \textit{Betti}schen Zahlen \(P_1, P_2,\dots, P_{n - 1}\) gilt der \textit{Poincaré}sche Satz, daß , wenn die \(n\)-dimensionale Mannigfaltigkeit \(V\) zweiseitig und geschlossen ist, die Relationen \(P_m = P_{n - m}\) bestehen. Daraufhin läßt sich ein einfaches Kriterium für die Homöomorphie zweidimensionaler Mannigfaltigkeiten aufstellen. Bezogen sich die \textit{Betti}schen Zahlen \(P_m\) von \(V\) auf die \textit{zweiseitigen} in \(V\) gelegenen geschlossenen Mannigfaltigkeiten und die Homologien zwischen denselben, so gibt es analoge Invarianten \(Q_m\) entsprechend \textit{einseitigen} geschlossenen in \(V\) gelegenen Mannigfaltigkeiten. Mit diesen Zahlen \(Q_m\) beschäftigt sich das Kapitel III. Die Differenzen \(Q_m - P_m\) lassen sich durch einfachere Invarianten, die \textit{Poincaré}schen ``Torsionszahlen'', ausdrücken. Mit dem oben erwähnten \textit{Poincaré}schen, auf \(M_m\) bezüglichen Relationensystem ist dann eine gewisse Matrix natürlicher Zahlen verknüpft; diejenigen unter den Elementarteilern der Matrix, die \(> 1\) sind, heißen ``Torsionszahlen \((m -1)\)-ter Ordnung'' von \(V\). Es ist dann \(Q_m - P_m\) gleich der Anzahl der geraden Torsionszahlen \((m - 1)\)-ter Ordnung. Das folgende Kapitel betrachtet gewisse, den zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten zugehörige diskrete Gruppen, für die wiederum \textit{Poincaré} charakteristische Zahlen aufgestellt hat. Die Elemente dieser Gruppen, die durch gewisse Relationensysteme definiert werden, sind nicht Operationen von bestimmter Bedeutung, sondern es kommen, wie bei dem allgemeinen Gruppenbegriff, nur die Gesetze für die Zusammensetzung dieser Elemente in Betracht. Die Gleichheit der \textit{Poincaré}schen Zahlen bildet dann ein Kriterium für die holoedrische Isomorphie zweier in verschiedener Weise erzeugten Gruppen, da jene Zahlen von der Wahl des die Gruppe definierenden Relationensystems unabhängig sind. Waren die bisherigen Invarianten ganze Zahlen oder Systeme solcher, so stellt die von \textit{Poincaré} eingeführte ``Fundamentalgruppe'' eine Invariante anderer Art dar. Es ist dies eine Gruppe, die sich jeder zusammenhängenden Mannigfaltigkeit \(V\) derart zuordnen läßt, daß ihr Bau, d. h. die Zusammensetzungsregeln ihrer Operationen, eine der \(V\) und allen ihr homöomorphen eigentümliche Eigenschaft darstellt. Auch diese neue Invariante wird an das Schema der \(V\) angeknüpft. Aus dieser Fundamentalgruppe lassen sich nun die erste \textit{Betti}sche Zahl \(P_1\) und die Torsionszahlen erster Ordnung in einfacher Weise bestimmen. Es ist nämlich \(P_1\) eine gewisse ausgezeichnete numerische Invariante der Fundamentalgruppe, und die \textit{Poincaré}schen. Zahlen der letzteren fallen zusammen mit den Torsionszahlen erster Ordnung der zusammenhängenden Mannigfaltigkeit \(V\). Für die geschlossenen \(M_n\) stellen die \textit{Betti}schen und die Torsionszahlen nebst der Fundamentalgruppe die einzigen bekannten topologischen Invarianten vor. Die bisherigen Betrachtungen hatten die \textit{Schemata} von \(M_n\) zum Gegenstande und sind insofern wesentlich der kombinatorischen Analysis zuzuzählen. Als Ergänzung dient ein weiteres Kapitel, in dem auf Punktmannigfaltigkeiten selbst bezügliche Begriffe erörtert werden. So heißt eine Mannigfaltigkeit \(W\) auf eine andere \(V\) ``developpabel'', wenn \(W\) von gleicher Dimension wie \(V\) und einem Teil von \(V\) oder auch \(V\) selbst homöomorph ist. Dieser Begriff erschließt eine Reihe topologischer Invarianten, die sich freilich nur erst im Falle \(n = 2\) einigermaßen beherrschen lassen. Man hat z. B. nicht einmal eine Übersicht über die Gesamtheit der developpabeln \(M_3\). Daß\ sich die für \(M_2\) gültigen Erscheinungen nicht ohne weiteres auf \(M_n\) übertragen lassen, zeigen einfache Beispiele. So ist zwar jede \(M_2\), die durch jede geschlossene Schnittlinie zerfällt, auch developpabel; dies ist aber bereits für \(n = 3\) nicht mehr richtig, Von Wichtigkeit sind die Transformationen einer \(M_n = V\) in sich, d. h. die umkehrbar eindeutigen und stetigen Abbildungen von \(V\) auf sich selbst. Zum Schlusse werden noch spezielle Arten, geschlossene \(M_n\) darzustellen, in Analogie zum Falle \(n = 2\) auseinandergesetzt. Die vorstehende Skizze mag genügen, um den Reichtum der hier in Betracht kommenden Erscheinungen hervortreten zu lassen.
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