Die Beugung und Polarisation des Lichtes durch einen Spalt. I. (Q1509998)

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Die Beugung und Polarisation des Lichtes durch einen Spalt. I.
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    Die Beugung und Polarisation des Lichtes durch einen Spalt. I. (English)
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    1901
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    In der Einleitung erörtert der Verf. die Schwächen der \textit{Kirchhoff}schen Beugungstheorie (vgl. F. d. M. 14, 829, 1882, JFM 14.0829.02). Mathematisch ist diese Theorie deshalb so unbefriedigend, weil die Werte, welche \(u_0\) und \(\frac{\partial u_0}{\partial n}\) in der Nähe der Öffnung annehmen, von der Gestalt der Öffnung abhängen und allgemein nicht zu bestimmen sind, so daß\ der \textit{Kirchhoff}sche Ansatz überhaupt kein präzis definiertes mathematisches Problem löst. Auf ein präzis definiertes Problem kommt man erst, wenn man die Lichtbewegung nicht, wie bei \textit{Kirchhoff}, durch vollkommen schwarze, sondern durch vollkommen spiegelnde Schirme aufgehalten denkt. In dieser Weise ist das Beugungsproblem zuerst von \textit{Poincaré} präzisiert, für den speziellen Fall der Beugung an einem geraden Rande in Angriff genommen und angenähert für Punkte in großer Entfernung von der Kante gelöst (Acta Math. 16; vgl. F. d. M. 24, 999, 1892, JFM 24.0999.01), während die exakte Lösung später von \textit{Sommerfeld} gegeben ist (Math. Ann. 47; vgl. F. d. M. 27, 706, 1896, JFM 27.0706.03). Diesem ersten und bisher einzigen Beispiel der exakten Behandlung eines Beugungsproblems fügt die vorliegende Arbeit ein zweites hinzu; sie behandelt die Beugung des Lichtes durch einen Spalt mit unendlich langen parallelen Kanten. Wie \textit{Sommerfeld}, beschränkt sich der Verf. auf das ebene Problem, indem er die Lichtquelle als eine zu den Schirmkanten parallele leuchtende Linie auffaßt. Er nimmt ferner zur Vereinfachung an, daß\ die Lichtquelle in einer auf der Schirmebene senkrechten Richtung unendlich weit entfernt ist, daß\ also das Licht normal auf den Spalt fällt. Das Problem reduziert sich dann auf die Aufgabe, eine Funktion \(u\) zu bestimmen, welche überall in der \(xy\)-Ebene der Gleichung \[ (1) \qquad \frac{\partial^2 u}{\partial x^2} + \frac{\partial^2 u}{\partial y^2} + k^2 u =0 \] genügt, und welche auf dem Schirm \(S\) vorgeschriebene Randwerte annimmt. Der Lösung der Aufgabe für den Spalt wird eine Hülfsbetrachtung vorangeschickt, die sich auf die Beugung an einem einfachen geraden Rande bezieht, d. h. auf den Fall, daß\ die Schirmhälfte auf der einen Seite des Spaltes fehlt. Für diesen Fall des einfachen Schirmes läßt sich zunächst aus einer gewissen von \textit{Sommerfeld} konstruierten Funktion \(U\) eine andere Funktion \(g\) herstellen, welche als \textit{Green}sche Funktion für diese Randwertaufgabe betrachtet werden kann. Sie ist \[ g(r_0, \varphi_0, r, \varphi) =U(r_0, \varphi_0, r, \varphi) - U(r_0, \varphi_0, r, -\varphi), \] wo \[ U(r_0, \varphi_0, r, \varphi) =\frac{1}{4i \pi} \int U_0 (k \sqrt{r_0^2 +r^2 -2rr_0 \cos \alpha)} - \frac{\sin \frac{\alpha}{2} d\alpha}{\cos \frac{\alpha}{2} -\cos \frac{\varphi_0 -\varphi}{2}} \] ist. Unter \(U_0\) ist, wie bei \textit{Sommerfeld}, die \textit{Bessel}sche Funktion zweiter Art verstanden; \(r, \varphi\) sind Polarkoordinaten, und zwar ist an dem Schirme \(\varphi = 0\). Die Integrationsvariable \(\alpha\) ist komplex; der Integrationsweg in der \(\alpha\)-Ebene beginnt im Positiv-Imaginär-Unendlichen zwischen den Geraden pars real. \(\alpha =-\pi\) und pars real. \(\alpha =0\), bleibt stets oberhalb der reellen Achse, läuft zwischen dieser Achse und dem oberhalb derselben gelegenen Punkte \(P_1\), für den das Argument von \(U_0\) verschwindet, hindurch und kehrt zwischen den Geraden pars real. \(\alpha = \pi\) und pars real. \(\alpha =2\pi\) ins Positiv-Imaginär-Unendliche zurück. Die Funktion \(g\) hat die Eigenschaft, überall in der Ebene der Differentialgleichung (1) zu genügen, mit Ausnahme eines Punktes \(O\), in welchem sie unstetig wird wie der Logarithmus der reziproken Distanz von diesem Punkte, und überall auf dem Schirme Null zu sein. Bezeichnen nun \(u\) die gegebenen Randwerte einer andern Funktion auf dem Schirme (der von \(y=0\) bis \(y= \infty\) reicht), und nimmt man noch an, daß\ die Randwerte \(u\) auf beiden Schirmseiten gleich sind, so ergibt sich mittels des \textit{Green}schen Satzes der Wert \(u(O)\), den die letztere Funktion im Punkte \(O\) annimmt: \[ (2) \qquad 2\pi u(O) = \int_0^\infty dr\cdot u\left( \frac{\partial g}{\partial n_a} + \frac{\partial g}{\partial n_b} \right). \] (\(n_a\) und \(n_b\) sind die äußeren Normalen auf beiden Seiten des Schirmes.) Es werden dann durch Umformung des Ausdrucks für \[ (2\text{a}) \qquad G(r_0, \varphi_0, r)= \frac{\partial g}{\partial n_a} + \frac{\partial g}{\partial n_b} \] die wesentlichsten Eigenschaften dieser Funktion \(G\) abgeleitet, und mit ihrer Hülfe wird der Existenzbeweis für die Funktion \(u(O)\) geführt, was erforderlich ist, da ausreichende allgemeine Existenzbeweise für Lösungen der Differentialgleichung (1) mit vorgeschriebenen Randwert noch nicht vorliegen. Von besonderer Bedeutung ist der Wert der Funktion \(G\) in der Verälgemeinerung des Schirmes, d. h. für \(\varphi = \pi\); für diesen ergibt sich; \[ (3) \qquad G(r_0, r) = 2\,\sqrt{\frac{r_0}{r}}\;\frac{e^{-ik(r+r_0)}}{r+ r_0}. \] Zum Schluß\ dieser Hülfsbetrachtung wird noch kurz die zweite Randwertaufgabe für den einfachen Schirm besprochen, bei der am Schirme \(\frac{\partial u}{\partial n}\) statt \(u\) gegeben ist. Hier wird \[ (4) \qquad 2\pi u(O) = \int_0^\infty dr\;\frac{\partial u}{\partial x} \cdot G', \] wo \(G'\) eine ähnliche Funktion ist wie vorher \(G\). Mit Benutzung der eben besprochenen Resultate gestaltet sich nun die Lösung der Hauptaufgabe, der Beugung durch den Spalt, folgendermaßen. Unter der Voraussetzung, daß\ der Anfangspunkt in der Mitte des Spalts von der Breite \(d\) liegt, daß\ die \(x\)-Achse, die auf dem Spalt senkrecht steht, die Normale der einfallenden Wellen ist (letztere schreiten von \(+x\) nach \(-x\) fort), daß\ ferner das einfallende Licht horizontal polarisiert ist, handelt es sich darum, eine Funktion \(u\) zu bestimmen, die der Gleichung (1) genügt, die ferner für \(x= 0\), \(| y| >\frac d2\) den Wert 1 hat, und die im Unendlichen nur auslaufende Wellen darstellen soll, d. h. solche, die am Schirm durch Reflexion oder Beugung ihren Ursprung nehmen. Man bestimme zunächst eine Funktion \(u_1\), welche, als Funktion des Punktes \(O\) betrachtet, auf der einen Schirmhälfte \(R\) den gewünschten Wert 1 hat, ebenso eine zweite Funktion \(v_1\), welche auf der zweiten Schirmhälfte \(L\) den Wert 1 annimmt. Diese Funktionen sind nach (2), resp. (2a): \[ u_1 (O) =\frac{1}{2\pi} \int_0^\infty drG (r_0, \varphi_0, r), \quad v_1(O) = \frac{1}{2 \pi} \int_0^\infty dr' G(r_0', \varphi_0', r'). \] \(u_1+v_1\) würde die Lösung des Problems darstellen, wenn \(u_1\) auf \(L, v_1\) auf \(R\) verschwände. Das ist aber nicht der Fall. Wird nun der Wert von \(u_1(O)\) auf \(L\) mit \(\overline u_1 (r')\), der von \(v_1(O)\) auf \(R\) mit \(\overline v_1 (r)\) bezeichnet, so bilde man weiter die Funktionen \[ \begin{aligned} & u_2(O) =- \frac{1}{2\pi} \int_0^\infty drG (r_0, \varphi_0, r) \overline v_1 (r),\\ & v_2(O) =- \frac{1}{2\pi} \int_0^\infty dr' G(r'_0, \varphi_0', r') \overline u_1 (r'),\end{aligned} \] suche die Werte dieser Funktionen auf \(L\), resp. \(R\) und bilde aus ihnen auf analoge Weise neue Funktionen \(u_3(O)\), \(v_3(O)\), fahre so fort und addiere schießlich alle so erhaltenen Funktionen, so erhält man die gesuchte Lösung. Die Lösung läßt sich, da \(\overline u_n (r') =\overline v_n (r)\) wird, mit Benutzung von (3) in folgende Form bringen: Von \(\overline u_1 (r) =1\) ausgehend, bilde man sukzessive \[ \overline u_{n+1} (r) =- \frac{1}{\pi}\;\int_0^\infty dr' \sqrt{\frac{r+d}{r'}}\;\frac{e^{-ik(r+r' +d)}}{r+ r' +d}\;\overline u_n (r'), \] dann \[ \overline u (r) =\sum_1^\infty\;\overline u_n (r), \] so ist \[ u(O) =\frac{1}{2\pi}\;\int_0^\infty dr [G(r_0, \varphi_0, r) +G (r_0', \varphi_0', r)] \overline u (r). \] Es wird weiter gezeigt, daß\ Verfahren, das als ``ein fortwährendes Hinüber- und Herüberwerfen der Randwerte von der einen Schirmhälfte auf die andere'' charakterisiert werden kann, konvergent ist, und daß\ das durch die letzte Formel bestimmte Wellenpotential alle gefordenten Eigenschaften hat, daß\ also in dem vorstehenden Gleichungen tatsächlich eine Lösung der gestellten Randwertaufgabe vorliegt. Daß\ eine strenge Lösung dieser Aufgabe überhaupt möglich sei, stand bisher keineswegs mit Sicherheit fest. Auch für den Fall einer vertikal polarisierten Welle wird die Aufgabe gelöst. Hier tritt nur der Unterschied ein, daß\ am Schirme nicht \(u=1\), sondern \(\partial u/\partial x=1\) wird, sodaß\ die zweite Randwertaufgabe des einfachen Schirmes zur Anwendung kommt. Im übrigen führt hier ein ganz analoges Näherungsverfahren zum Ziele. So befriedigend die bisher gewonnenen Resultate vom mathematischen Gesichtspunkte aus erscheinen können, sind sie doch physikalisch unzureichend, weil die auf einander folgenden Glieder der Entwicklung von \(\overline u(r)\) (der Oberflächenbelegung) durch fortgesetzte Integrationen gewonnen werden, die allgemein nicht ausführbar sind. Es wird deshalb durch eingehende Diskussion ermittelt, unter welchen Bedingungen das Verfahren so schnell konvergiert, daß\ man sich auf die beiden ersten Glieder der von Entwicklung, \(u_1 + u_2\), beschränken kann. Es ist dies der Fall, wenn für einen hinter dem Spalt in der Entfernung \(\varrho\) gelegenen Punkt \(\varrho \lambda /d^2\) (\(\lambda\) die Wellenlänge) eine große Zahl ist. Zugleich werden für jene ersten Glieder unter derselben Voraussetzung Näherungswerte abgeleitet. Aus diesen werden die folgenden Schlüsse gezogen: Bei weitem Spalt und bei kleinen Beugungswinkeln \(\chi\) stellt die bekannte, aus der \textit{Kirchhoff}schen Theorie entspringende Formel für die Intensität des durch einen Spalt gebeugten Lichts: \[ J= \left( \frac{\sin \left( \pi \frac{d}{\lambda} \sin \chi \right)}{\pi \frac{d}{\lambda} \sin \chi} \right)^2 \] eine gute Annäherung an die strenge Theorie dar. Ferner findet sich eine neue exaktere Formel für die Intensitätsverteilung: \[ J= \left[ \frac{\sin \left( \pi \frac{d}{\lambda} \sin \chi \right)}{2\pi \frac{d}{\lambda} \sin \frac{\chi}{2}} \right]^2 + \left[ \frac{\cos \left( \pi \frac{d}{\lambda} \sin \chi \right)}{2\pi \frac{d}{\lambda} \cos \frac{\chi}{2}} \right]^2, \] welche sich bei wachsender Spaltbreite auch für immer größere und größere Beugungswinkel der strengen Theorie anschließt. Weitere Folgerungen sind die, daß\ bei breitem Spalt, abgesehen von den ganz großen Beugungswinkeln in der Nähe eines Rechten, \textit{keine Polarisation} des gebeugten Lichtes eintritt, daß\ hingegen eine \textit{Phasenverschiebung} zwischen den Schwingungskomponenten parallel zum Spalt und senkrecht dazu besteht. Einen Abschluß\ in gewissem Sinne liefern die vorliegenden Untersuchungen für die Beugung der \textit{Röntgen}strahlen, insofern man diese als Impulse, als Stoßwellen auffaßt. Was der Lösung durch das Näherungsverfahren fehlt, ist die Berechenbarkeit der höheren Glieder und damit des ganzen Intensitätsverlaufs für enge Spalten. Diese Lücke soll in einem später folgenden zweiten Teile ausgefüllt werden.
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