Ueber die Grundlagen der Geometrie. I, II. (Q1533383)

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Ueber die Grundlagen der Geometrie. I, II.
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    Ueber die Grundlagen der Geometrie. I, II. (English)
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    1890
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    Beide Abhandlungen sind bestimmt, an einer oft bearbeiteten und für jeden Mathematiker anziehenden Aufgabe zu zeigen, was die von Lie selbst geschaffene Gruppentheorie zu leisten vermag. Die Geometrie des euklidischen Raumes ist, ebenso wie die jedes nichteuklidischen, durch die Gruppe der in dem betreffenden Raume möglichen Bewegungen vollkommen bestimmt; für die Untersuchungen über die Grundlagen der Geometrie ist es daher jedenfalls ein sehr grosser Gewinn, wenn man solche möglichst einfachen Eigenschaften der genannten Gruppen von Bewegungen angeben kann, durch die diese Gruppen unter allen andern Gruppen von Transformationen ausgezeichnet sind. Der Aufsuchung solcher Eigenschaften sind die beiden Lie'schen Arbeiten gewidmet. In der ersten Arbeit zeigt Lie, dass die Gruppen der euklidischen und der nichteuklidischen Bewegungen in sehr einfacher Weise charakterisirt werden können, wenn man den Begriff der freien Beweglichkeit im Infinitesimalen einführt. Er sagt, dass eine Gruppe von reellen Transformationen des dreifach ausgedehnten Raumes \(R_3\) freie Beweglichkeit im Infinitesimalen habe, wenn sie folgende Eigenschaften besitzt: ``Sobald ein reeller Punkt und ein reelles, durch ihn gehendes Linienelement festgehalten wird, ist vermöge der Gruppe immer noch continuirliche Bewegung möglich; wird jedoch ausserdem ein reelles Flächenelement festgehalten, das durch jenes Linienelement geht, so ist keine continuirliche Bewegung mehr möglich.'' Er beweist sodann, dass jede reelle continuirliche Gruppe des \(R_3\), die innerhalb eines gewissen Bereiches überall freie Beweglichkeit im Infinitesimalen besitzt, durch eine reelle Punkttransformation dieses Raumes entweder in die Gruppe der euklidischen Bewegungen oder in eine der beiden Gruppen von nichteuklidischen Bewegungen übergeführt werden kann. Diese Art und Weise, die genannten Gruppen von Bewegungen zu charakterisiren, empfiehlt sich nicht bloss durch ihre Einfachheit, die schwerlich übertroffen werden kann, sondern auch durch ihre leichte Uebertragbarkeit auf Räume von beliebig vielen Dimensionen. Lie führt diese Uebertragung vollständig aus, indem er den Schluss von \(n\) auf \(n+1\) anwendet. Erwähnt sei noch, dass im Verlaufe der Lie'schen Untersuchung eine ganze Reihe von Sätzen benutzt wird, die auch an und für sich beachtenswert sind, und dass Lie am Ende der Arbeit noch mehrere Sätze namentlich über projective Gruppen mitteilt, die mit dem Hauptgegenstande der Arbeit nicht in directem Zusammenhange stehen. In seiner zweiten Arbeit stellt sich Lie auf einen ganz andern Standpunkt; er geht da nämlich von den Axiomen aus, die Herr von Helmholtz in seiner berühmten Arbeit: ``Ueber die Thatsachen, die der Geometrie zu Grunde liegen'', benutzt hat, und untersucht, welche Folgerungen sich aus diesen Axiomen ziehen lassen, wenn man die bei v. Helmholtz noch nicht berücksichtigte Gruppeneigenschaft der Bewegungen hinzufügt. Er beschränkt sich dabei auf den Raum von drei Dimensionen. Während Lie das Monodromieaxiom des Herrn v. Helmholtz von vornherein bei Seite lässt, formulirt er dessen übrige Axiome folgendermassen: A) Die Bewegungen des Raumes \(x\), \(y\), \(z\) bilden eine continuirliche Schar von unendlich vielen Transformationen. B) Zwei Punkte \(x_1\), \(y_1\), \(z_1\); \(x_2\), \(y_2\), \(z_2\) besitzen allen Transformationen dieser Schar gegenüber eine Invariante: \[ \varOmega (x_1, y_1, z_1; x_2, y_2, z_2). \] C) Es findet freie Beweglichkeit statt in dem Sinne, dass ein Punkt in jeden andern übergehen kann, dass nach Festhaltung eines Punktes \(x_1\), \(y_1\), \(z_1\) jeder andere Punkt \(x_2\), \(y_2\), \(z_2\) (von allgemeiner Lage) noch \(\infty^2\) Lagen \(x_2'\), \(y_2'\), \(z_2'\) annehmen kann, die der Gleichung: \[ \varOmega(x_1, y_1, z_1; x_2, y_2, z_2) = \varOmega(x_1, y_1, z_1; x_2', y_2', z_2') \] genügen u. s. w.; endlich sollen nach Festhaltung dreier Punkt von allgemeiner gegenseitiger Lage überhaupt alle Punkte des Raumes in Ruhe bleiben. Aus diesen Axiomen schliesst Lie zunächst, dass die Bewegungen des Raumes \(x\), \(y\), \(z\) eine sechsgliedrige Gruppe mit paarweise inversen Transformationen bilden. Indem er nun alle derartigen Gruppen bestimmt, die den Forderungen B) und C) genügen, findet er, dass es einen grossen Unterschied macht, wie man das Axiom C) der freien Beweglichkeit auffasst. Nimmt man nämlich an, dass das Axiom C) innerhalb eines gewissen Bereiches ausnahmelos gelten soll, lässt man also die eingeklammerten Worte ``von allgemeiner Lage'' weg, so sind die Gruppe der euklidischen Bewegungen und die beiden Gruppen von nichteuklidischen Bewegungen die einzigen, die den Forderungen B) und C) genügen. Lässt man aber die eingeklammerten Worte stehen, so giebt es ausser den genannten Gruppen noch eine ganze Reihe von andern, die die Axiome B) und C) erfüllen. Hieraus ergiebt sich, dass die Helmholtz'schen Axiome ausreichen, um die Gruppen der euklidischen und der nichteuklidischen Bewegungen zu charakterisiren, und dass das Monodromieaxiom jedenfalls dann überflüssig ist, wenn man das Axiom der freien Beweglichkeit in geeigneter Weise deutet. Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass die Hauptergebnisse der beiden besprochenen Abhandlungen von Lie bereits 1886 veröffentlicht worden sind (Leipz. Ber. 1886, S. 337 ff.). Die ganze Untersuchung, zu der mittlerweile noch viel Neues hinzugekommen ist, wird dem Bd. III des Lie'schen Werkes über die Transformationsgruppen in neuer Gestalt einverleibt werden.
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