Lehrbuch zur Theorie der Differentialgleichungen mit einer unabhängigen Variabeln. (Q1535142)
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English | Lehrbuch zur Theorie der Differentialgleichungen mit einer unabhängigen Variabeln. |
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Lehrbuch zur Theorie der Differentialgleichungen mit einer unabhängigen Variabeln. (English)
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1889
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Die hier gegebene Darstellung der Theorie der Differentialgleichungen beruht zum überwiegenden Teile auf functionentheoretischen Betrachtungen. Die Gesichtspunkte, die dabei leitend gewesen sind, werden durch die beiden Aufgaben gekennzeichnet, deren Studium den Hauptinhalt des Werkes bildet. Die eine betrifft die Form der algebraischen Beziehungen, die zwischen Integralen verschiedener Differentialgleichungssysteme stattfinden können; die andere hat zum Ziel, die Natur der Integrale selbst zu ergründen. Die Aufstellung der ersterwähnten Aufgabe in allgemeinster Fassung rührt vom Verfasser selbst her, der die Principien und Methoden zu ihrer Lösung in zahlreichen Abhandlungen niedergelegt, und nachdem sie inzwischen in dem bekannten Werke des Verfassers ``Allgemeine Untersuchungen aus der Theorie der Differentialgleichungen''. Teubner, Leipzig 1882. (F. d. M. XIV. 234, JFM 14.0234.02) eine zusammenhängende Darstellung gefunden haben, in späteren demselben Gegenstand gewidmeten Arbeiten noch weiter ausgeführt hat. Im vorliegenden Werke wird diese Untersuchung in mehreren Ansätzen geführt. Das Werk beginnt mit der Reduction jedes algebraischen Differentialgleichungssystems auf ein solches erster Ordnung, das dann auf die Jacobi'sche Normalform gebracht wird. Diese Form wird durchgehends im folgenden der Untersuchung zugrunde gelegt. Im letzten Abschnitt des ersten Capitels wird nun, nachdem der Begriff der Irreductibilität eines solchen Systems festgestellt ist, zunächst der allgemeine Satz von der Erhaltung der algebraischen Beziehungen zwischen Integralen verschiedener Differentialgleichungssysteme bei Substituirung beliebiger anderer Integralsysteme entwickelt und in Anwendung auf den Fall, dass sämtliche Differentialgleichungen des Systems Quadraturen algebraischer Functionen darstellen, gezeigt, dass jeder algebraische Zusammenhang zwischen diesen Quadraturen durch eine lineare Relation mit constanten Coefficienten, abgesehen von einer additiven algebraischen Function der unabhängigen Variable, ausdrückbar ist. Im zweiten Capitel, worin specielle Differentialgleichungen mit charakteristischen Eigenschaften behandelt werden, handelt der zweite Abschnitt von den Differentialgleichungssystemen, für welche die allgemeinen Integrale von einer der Ordnung des Systems gleichen Anzahl particulärer Integrale abhängen. Diese Beschaffenheit haben im allgemeinen nur die linearen Systeme von Differentialgleichungen. Hierdurch erhellt die Wichtigkeit dieser Systeme, deren Eigenschaften im dritten Capitel eingehend behandelt werden. Die Untersuchung betreffs der möglichen Form der algebraischen Beziehung zwischen einem Integralelement eines solchen Systems und den Integralen von Differentialgleichungen erster Ordnung, speciell den Quadraturen algebraischer Functionen, bildet den Gegenstand des letzten Abschnitts dieses Capitels. Endlich giebt die Behandlung der integrirbaren Differentialgleichungssysteme im vierten Capitel Gelegenheit, den Abel'schen Satz von der rationalen Integration der algebraisch oder logarithmisch-algebraisch ausführbaren Quadraturen von algebraischen Functionen zunächst vermöge des Abel'schen Theorems, dessen Beweis gegeben wird, auf die rationale Umformung jeder algebraischen Beziehung zwischen Quadraturen algebraischer Functionen auszudehnen, um schliesslich zu einem ganz allgemeinen Satze zu gelangen, betreffend die Reduction der durch Quadraturen algebraischer Functionen darstellbaren Integrale beliebiger Differentialgleichungssysteme in eine rationale Form, welche für den Fall linearer Systeme näher präcisirt wird. Die Darlegung dieser Untersuchungen wird überall so geführt, dass die allgemeinen Sätze begründet und die durch sie gegebenen Methoden an einfachen Beispielen in einer zur Einsicht hinreichenden Weise entwickelt werden. Was die Natur der den Differentialgleichungen genügenden Integrale anlangt, so beschränkt sich ihre Untersuchung wesentlich auf das Verhalten der Integrale in der Umgebung der einzelnen, gewöhnlichen oder singulären Punkte, wie es durch die Gestalt der daselbst gültigen Reihenentwickelungen erkannt wird. Im ersten Capitel schliesst sich unmittelbar an die Aufstellung der erwähnten Jacobi'schen Normalform für das Differentialgleichungssystem der Beweis des Cauchy'schen Satzes von der Existenz der Integrale in der Umgebung nichtsingulärer Punkte nach der bemerkenswerten Vereinfachung, deren Princip der Verfasser im Journ. für Math. CIV. 174 ff. (F. d. M. XX. 1888. 310, JFM 20.0310.02) dargelegt hat. Die Frage, ob die durch die Reihen dargestellten Integraledie einzigen sind, die dem Differentialgleichungssystem und den gestellten Anfangsbedingungen genügen, ist insofern nicht vollständig behandelt, als die von Herrn Fuchs darüber angestellten Untersuchungen in den Berl. Ber. 1886 (F. d. M. XVIII. 280, JFM 18.0280.01) nicht berücksichtigt sind. Bei der Besprechung der Fortsetzung der Integrale über das Convergenzgebiet der sie darstellenden Reihen hinaus kommt die Frage zur Erörterung, in welchem Falle man von vorn herein in der ganzen \(x\)-Ebene (\(x\) die unabhängige Variable) die Räume abgrenzen könne, innerhalb deren diese Fortsetzungen zu den Ausgangswerten der Integrale zurückführen, was bekanntlich bei den Integralen linearer Differentialgleichungen geschehen kann, wo nur feste Verzweigungspunkte vorhanden sind. Der Verfasser legt irrtümlicher Weise diese Eigenschaft überhaupt jedem System von Differentialgleichungen bei, für welches die Existenz von convergirenden Potenzreihen als Darstellung der Integrale in der Umgebung eines Punktes \(x_0\) von den zugehörigen Anfangswerten der Integrale selbst unabhängig ist, während dazu doch noch die Unabhängigkeit des Convergenzbereiches von den erwähnten Aufangswerten erforderlich ist, wie übrigens die Auseinandersetzungen des Verfassers selbst (S. 240-243) über die Bedingungen für die Eindeutigkeit der durch die Differentialgleichung \(\frac{dy}{dx} = f(y)\) definirten Function \(y\) zur Genüge zeigen. Auch die singulären Integrale beliebiger Systeme von Differentialgleichungen werden in Betracht gezogen und ihre Darstellung auf die von Systemen niederer Ordnung zurückgeführt. Die beiden letzten (fünftes und sechstes) Capitel sind der ausführlichen und eingehenden Untersuchung der Integrale in der Umgebung der singulären Stellen gewidmet, wobei die Briot-Bouquet'schen Untersuchungen im J. de l'Éc. Polyt. cah. XXXVI, die anschliessenden der Herren Poincaré und Picard (1878) und insbesondere für lineare Differentialgleichungen die Arbeit des Herrn Fuchs im J. für Math. LXVI zur Grundlage dienen. Bei letzteren macht es sich störend bemerkbar, dass der einheitlichen Behandlung zu Liebe die Entwickelungen, statt an der linearen Differentialgleichung \(n^{\text{ter}}\) Ordnung, an dem entsprechenden System von Differentialgleichungen erster Ordnung ausgeführt werden. Dadurch wird z. B. die Herleitung der Fuchs'schen Klasse von Differentialgleichungen mit regulären Integralen unnötig complicirt. Im letzten Abschnitt wird an dem Beispiele der hypergeometrischen Differentialgleichung die Darstellung der Elemente des Fundamentalsystems in den singulären Punkten durchgeführt. -- Diejenigen functionentheoretischen Betrachtungen, welche die Darstellung der Integrale in der ganzen Ebene der \(x\) zum Gegenstande haben, sind in diesem Werke, soweit sie nicht Quadraturen algebraischer Functionen betreffen, allein in der erwähnten Behandlung der Frage vertreten, unter welchen Bedinungen das Integral der Gleichung \(\frac{dy}{dx} = f(y)\), worin \(f\) eine algebraische Function bedeutet, in der ganzen Ebene eindeutig ist (Capitel IV, 2). Dagegen sind ausser Betracht geblieben die zahlreichen wichtigen Ergebnisse, die in dieser Hinsicht namentlich auf dem Gebiete der linearen Differentialgleichungen in der auf die erwähnte fundamentale Abhandlung folgenden Reihe von Arbeiten des Herrn Fuchs und anderer Mathematiker, namentlich des Herrn Poincaré, niedergelegt sind. Nach dieser Seite hin macht sich demnach noch das Bedürfnis für eine zusammenfassende Darstellung der einschlägigen Untersuchungen in einem besonderen Werke in fühlbarer Weise geltend. -- Von denjenigen Gegenständen, die, dem formalen Teil der Theorie der Differentialgleichungen angehörend, im vorliegenden Lehrbuch behandelt werden, seien hier die wichtigeren angeführt. Im ersten Capitel (Abschnitt 4) wird die Jacobi'sche Theorie der Multiplicatoren von Differentialgleichungssystemen entwickelt und bei Gelegenheit des Satzes vom letzten Multiplicator die Quadratur der exacten Differentiale mit zwei Variabeln gelehrt, wobei es auffallend ist, dass die unübersichtliche Euler'sche Methode benutzt wird, während doch die Cauchy'sche den Vorzug der Einfachheit hat und mit Leichtigkeit auf exacte Differentiale mit beliebig vielen Variabeln übertragen werden kann. Als Anwendung der erwähnten Theorie werden im zweiten Capitel die Differentialgleichungen der Mechanik behandelt, ihre Reduction auf die Hamilton'sche Form gegeben und der Poisson'sche Satz abgeleitet. Die Eigenschaften der linearen Differentialgleichungen werden, wie schon erwähnt, im dritten Capitel behandelt. Man findet daselbst: die Reduction der Differentialgleichungen durch bekannte Integrale, die Methode der Variation der Constanten, wovon im vierten Capitel auch eine Anwendung auf beliebige Systeme von Differentialgleichungen gezeigt wird, ferner den Satz des Herrn Appell über die Ausdrückbarkeit jeder ganzen symmetrischen Function der Elemente eines Fundamentalsystems durch die Coefficienten der Differentialgleichungen und deren Ableitungen; endlich die Entwickelung der Bedingungen für die Existenz gemeinsamer Integrale zwischen zwei linearen Differentialgleichungen und die Herstellung derjenigen Differentialgleichung, welche diese gemeinsamen Integrale zu Lösungen hat. Bemerken wir noch, dass der Verfasser, abweichend von der üblichen Terminologie, die zu einer nicht homogenen linearen Gleichung zugehörige homogene, sogenannte reducirte, Gleichung mit dem Namen ``adjungirte'' belegt, welcher bekanntlich für eine Zugehörigkeit ganz anderer Art von zwei homogenen linearen Differentialgleichungen eingeführt ist. Uebrigens haben die schönen Sätze, die über adjungirte Differentialgleichungen im üblichen Sinne existiren, im Buche keine Stelle gefunden. Mit speciellen Integrationsmethoden beschäftigt sich das vierte Capitel. Wir heben hier nur hervor die Integration der Jacobi'schen Gleichung, ferner die Integrationsmethoden durch bestimmte Integrale nach Laplace (wohl eigentlich Euler) und Kummer, sowie durch unendliche Reihen, die auf die Riccati'sche, Legendre'sche und Bessel'sche Gleichung angewandt werden. Was die Darstellung im vorliegenden Lehrbuche betrifft, so ist sie in allen Teilen, sowohl in den grundlegenden Definitionen als auch in der Beweisführung, von einer durchsichtigen Klarheit und Fasslichkeit, so dass das Werk von jedem, der mit den Elementen der Differential- und Integralrechnung vertraut ist, mit Leichtigkeit gelesen werden kann und daher zur Einführung in die Theorie der Differentialgleichungen recht geeignet ist.
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