Variationsrechnung im Großen (Morsesche Theorie). (Q2596882)

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Variationsrechnung im Großen (Morsesche Theorie).
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    Variationsrechnung im Großen (Morsesche Theorie). (English)
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    1938
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    Die Verf. geben in dem vorliegenden Buche eine freie Darstellung von Ergebnissen der Variationsrechnung im Großen, die man \textit{M. Morse} verdankt und die dieser im Zusammenhang in seinen Veröffentlichungen ``The calculus of variations in the large'' (1934; F. d. M. \(60_{\text{I}}\), 450-452) und ``Functional topology and abstract variational theory'' (Mém. Sci. math. 92 (1938); F. d. M. \(64_{\text{II}}\)) wiedergegeben hat. Entsprechend ihrer eigenen Forschungsrichtung haben die Verf. die topologischen Methoden der Variationsrechnung im Großen möglichst rein herausgearbeitet, dafür aber die analytische Auswertung der Ergebnisse beiseite gelassen. Ferner haben sie zugunsten der Einfachheit und Lesbarkeit auf größtmögliche Allgemeinheit verzichtet. So beschränken sie sich, anstatt beliebige positive und positivreguläre Variationsprobleme zu behandeln, auf das Problem der Geodätischen und erweitern das Problem der festen Endpunkte erst im letzten Paragraphen des Buches auf beliebige Endmannigfaltigkeiten. Um den Gang der Darstellung nicht zu oft zu unterbrechen, haben die Verf. an den Schluß sehr ausführliche Anmerkungen gestellt, in denen sie die meisten der herangezogenen Sätze in einer ihren Zwecken angepaßten Form beweisen. Auch von ihrem ``Lehrbuch der Topologie'' (1934; F. d. M. \(60_{\text{I}}\), 496) machen sie nur in gelegentlichen Hinweisen auf die dort entfaltete größere Ausführlichkeit Gebrauch. Nachdem die Verf. in einer breit angelegten ``Einleitung'' (S. 5-12) einen Überblick über die Fragestellungen und die von \textit{Morse} entwickelten Gedankengänge gegeben haben, beginnen sie in Kap. I ``Zusammenhangszahlen und Typenzahlen'' (S. 13-28) mit ihrer eigenen Darstellung, die sich dank der Verwendung rein topologischer Hilfsmittel durch sehr große Allgemeinheit auszeichnet. Zunächst werden diese Hilfsmittel bereitgestellt: Umgebungsraum, Zyklen, Ketten (in der Terminologie des ``Lehrbuchs der Topologie'' sind das singuläre Ketten mod 2), Zusammenhangszahlen, relative Zyklen (das sind nach \textit{Lefschetz} Zyklen mod einer gewissen Teilmenge des zugrundegelegten Umgebungsraumes \(\varOmega\)). Dann nähern sie sich dem Hauptgegenstande der Untersuchung und definieren auf rein topologischem Wege für eine auf \(\varOmega\) stetige Funktion \(J\) gewöhnliche Werte, kritische Werte und die \(k\)-te Typenzahl des kritischen Wertes \(\alpha\): Bedeutet das Symbol \(\{J \leqq\alpha\}\) bzw. \(\{J < \alpha\}\) die Menge aller Punkte von \(\varOmega\), in denen \(J \leqq\alpha\) bzw. \(J < \alpha\) ist, so heißt \(\alpha\) ein gewöhnlicher oder ein kritischer Wert von \(J\), je nach dem alle zum \(J\)-Werte \(\alpha\) gehörigen relativen Zyklen, d. h. die auf \(\{J\leqq \alpha\}\) liegenden Zyklen mod \(\{J < \alpha\}\), auf \(\{J\leqq \alpha\}\) nullhomolog mod \(\{J < \alpha\}\) sind oder nicht; im zweiten Falle wird die Maximalzahl der homolog unabhängigen \(k\)-Zyklen von \(\alpha\) -man kann auch sagen: die \(k\)-te Zusammenhangszahl von \(\{J \leqq \alpha\}\) mod \(\{J <\alpha\}\) -- als \(k\)-te Typenzahl \(m^k(\alpha)\) des Wertes \(\alpha\) bezeichnet. In einem gewöhnlichen Punkt sind alle Typenzahlen gleich Null. Die über alle kritischen Werte \(\alpha\) von \(J\) erstreckte Summe der \(m^k(\alpha)\) wird gleich \(M^k\) gesetzt. (Obere Indices geben stets die Dimension an.) Unter Voraussetzung eines gewissen Axioms I beweisen die Verf. dann die Morsesche Ungleichung \[ M^k \geqq R^k \tag{1} \] durch die \(M^k\) mit der \(k\)-ten Zusammenhangszahl \(R^k\) von \(\varOmega\) in Beziehung gesetzt wird; für \(M^k\) und \(R^k\) wird dabei auch der Wert \(\infty\) zugelassen. Bei Hinzufügung eines weiteren Axioms II geben die Verf. dann hinreichende Bedingungen für das Bestehen der Gleichungen an: \[ M^k = R^k \qquad (k = 0,\, 1,\,\ldots). \tag{2} \] Während diese topologischen Betrachtungen sich im Großen, nämlich in der ganzen Punktmenge, in der \(J\) den kritischen Wert \(\alpha\) annimmt, abspielen, wird in Kap. II ``Typenzahlen stationärer Punkte'' (S. 29-41) als weitere Vorbereitung auf die Variationsrechnung die Umgebung einzelner Punkte untersucht. Die Betrachtung wird auf den \(n\)-dimensionalen euklidischen Raum \(\mathfrak R^n\), der hier an die Stelle des Umgebungsraumes \(\varOmega\) tritt, und auf eine zweimal stetig differenzierbare Funktion \(J\) beschränkt. Statt um kritische Werte von \(J\) handelt es sich jetzt um stationäre Punkte von \(J\), d. h. um solche Punkte des \(\mathfrak R^n\), in denen alle \[ \frac{\partial J}{\partial x_\nu}=0\qquad (\nu=1,\,\ldots,\,n) \tag{3} \] sind, und zwar um \textit{isolierte} stationäre Punkte. Ist \(g\) ein solcher Punkt, \(\mathfrak G\) eine ganz dem Definitionsbereich von \(J\) angehörende Umgebung von \(g\), die keinen weiteren stationären Punkt enthält, und \(\mathfrak G^-\) die Teilmenge derjenigen Punkte von \(\mathfrak G\), in denen \(J < J (g)\) ist, so wird als \(k\)-te Typenzahl \(m^k\) des Punktes \(g\) die \(k\)-te Zusammenhangszahl mod \(\mathfrak R^-\) der Punktmenge \(\mathfrak G^-\dot+ \{g\}\) erklärt. Für ein isoliertes Minimum (bzw. Maximum) sind die \[ m^k = \delta_0^k\quad \text{bzw.}\quad {} =\delta_n^k; \tag{4} \] dabei ist \(\delta_i^k = 0\) oder 1, je nach dem \(i \neq k\) oder \(i = k\) ist. Dann werden insbesondere \textit{nichtausgeartete} stationäre Punkte betrachtet; das sind solche, in denen die partiellen Ableitungen zweiter Ordnung eine quadratische Form vom Rangdefekt Null bilden. Ist \(i\) der Trägheitsindex dieser quadratischen Form, d. h. die Anzahl ihrer negativen Eigenwerte, so gilt für die Typenzahlen eines nichtausgearteten stationären Punktes: \[ m^k=\delta_i^k\qquad (k=0,\,1,\,\ldots). \tag{5} \] Bei ausgearteten stationären Punkten verliert dieser Satz seine Gültigkeit; in einem isolierten stationären Punkte sind alle Typenzahlen endlich und nur endlich viele von Null verschieden (Endlichkeitssatz). Die in Kap. I und II erarbeiteten Hilfsmittel werden nun in Kap. III ``Variationsprobleme auf geschlossenen Mannigfaltigkeiten'' (S. 42-85) auf Variationsprobleme im Großen angewendet. Die Verf. beschränken sich auf das Problem, auf einer \(n\)-dimensionalen Riemannschen Mannigfaltigkeit \(\mathfrak M^n\) mit dreimal stetig differenzierbaren Fundamentalgrößen alle Geodätischen zu finden, die von einem Punkte \(A\) zu einem festen Punkte \(B\) führen. Die \(\mathfrak M^n\) spielt in den weiteren Untersuchungen aber nicht die Hauptrolle, sondern der von \textit{Morse} eingeführte ``Funktionalraum des Variationsproblems'', der Raum \(\varOmega\) aller auf der \(\mathfrak M^n\) verlaufenden, die Punkte \(A\) und \(B\) verbindenden, stückweise glatten Kurven, der durch eine geeignete Definition der Entfernung zweier solcher Kurven zu einem metrischen Raum gemacht wird. Auf \(\varOmega\) ist die Kurvenlänge \(J\) eine stetige Funktion. Unter einem stationären Punkt von \(\varOmega\) versteht man einen Punkt, der einer von \(A\) nach \(B\) führenden Geodätischen entspricht, unter einem stationären Wert die Länge einer solchen Geodätischen. Die einem isolierten stationären Punkte von \(\varOmega\) entsprechende Geodätische heißt eine isolierte Geodätische von \(A\) nach \(B\). Somit lassen sich für eine isolierte Geodätische die Typenzahlen definieren und die Ergebnisse aus Kap. II, insbesondere der Endlichkeitssatz, hierher übertragen. Um auch die Ergebnisse aus Kap. I auf den Funktionalraum anwenden zu können, muß man zeigen, daß die Axiome I und II aus Kap. I auf \(\varOmega\) erfüllt sind. Dies ist, wie nach einigen Vorbereitungen bewiesen wird, sicher dann der Fall, wenn auf \(\varOmega\) unterhalb jedes beliebigen \(J\)-Wertes nur endlich viele stationäre Punkte liegen. Daraus folgen die Hauptsätze I, II, III der ganzen Darstellung. I gibt als hinreichende Bedingung für die Gültigkeit der Morseschen Ungleichungen (1), daß auf der \(\varOmega\) nur endlich viele Geodätische von beschränkter Länge zwischen den festen Punkten \(A\) und \(B\) existieren; dabei ist \(R^k\) die \(k\)-te Zusammenhangszahl von \(\varOmega\) und \(M^k\) die Summe der \(k\)-ten Typenzahlen aller auf der \(\mathfrak M^n\) von \(A\) nach \(B\) laufenden Geodätischen. II gibt eine zusätzliche hinreichende Bedingung (Ergänzbarkeit aller relativen Zyklen von \(\varOmega\)) dafür, daß die Gleichungen (2) bestehen. III besagt, daß es unendlich viele Geodätische von \(A\) nach \(B\) gibt, wenn \(\varOmega\) unendlich hohen Zusammenhang hat, d. h. wenn die Summe der Zusammenhangszahlen aller Dimensionen unendlich ist. Schließlich wird gezeigt, daß die Zusammenhangszahlen von \(\varOmega\) bei Abänderung der Endpunkte \(A\) und \(B\) und der Metrik der \(\mathfrak M^n\) ungeändert bleiben. Im letzten Paragraphen wird der Fall fester Endpunkte ersetzt durch den allgemeineren zweier in die \(\mathfrak M^n\) eingebetteter geschlossener Endmannigfaltigkeiten \(\mathfrak A\) und \(\mathfrak B\); das Variationsproblem fordert die Bestimmung aller Geodätischen, die von \(\mathfrak A\) nach \(\mathfrak B\) führen und in den Endpunkten auf \(\mathfrak A\) bzw. \(\mathfrak B\) senkrecht stehen. Der Funktionalraum \(\varOmega\) ist hier der Raum aller von \(\mathfrak A\) nach \(\mathfrak B\) laufenden, stückweise glatten Kurven; seine Zusammenhangszahlen bleiben bei homotoper Deformation von \(\mathfrak A\) und \(\mathfrak B\) sowie bei Abänderung der Metrik der \(\mathfrak M^n\) ungeändert. Es wird dann gezeigt, wieweit sich die Ergebnisse der Theorie für feste Endpunkte auf diesen allgemeineren Fall übertragen lassen. Unter anderem gilt auch hier der Hauptsatz III: Hat \(\varOmega\) unendlich hohen Zusammenhang, so gibt es auf der \(\mathfrak M^n\) unendlich viele von der Mannigfaltigkeit \(\mathfrak A\) zur Mannigfaltigkeit \(\mathfrak B\) laufende Geodätische. In einem Anhang ``Stationäre Punkte auf geschlossenen Mannigfaltigkeiten'' (S. 85-92) werden die verschärften Morseschen Ungleichungen \[ \begin{aligned} M_0&\geqq R_0,\\ M_1-M_0 &\geqq R_1-R_0,\\ M_2 - M_1 + M_0 &\leqq R_2-R_1 + R_0,\\ &\;\kern0.2em \vdots \end{aligned} \] bewiesen. Als Folgerung ergibt sich der Satz: Die Anzahl der stationären Punkte auf einer geschlossenen Mannigfaltigkeit ist mindestens gleich der Kategorie dieser Mannigfaltigkeit (vgl. \textit{Lusternik} und \textit{Schnirelmann}, 1934; F. d. M. \(60_{\text{II}}\), 1228-1229). Die Kategorie ist dabei die von diesen beiden Autoren (C. R. Acad. Sci., Paris, 188 (1929), 534-536; F. d. M. \(55_{\text{I}}\), 316) eingeführte topologische Invariante. -- In die Darstellung haben die Verf. in allen drei Kapiteln zahlreiche Beispiele und Aufgaben eingeflochten. Den Schluß des Buches bilden die Anmerkungen (S. 93-111) sowie ein Sachverzeichnis (S. 112-115). (V 2.)
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