Zur Theorie der gewöhnlichen linearen Differentialgleichungen. (Q2617452)

Unter einer charakteristischen Lösung der gewöhnlichen linearen homogenen Differentialgleichung \(L(y)=0\) versteht Verf. eine Funktion \(\chi (x,t)\), die als Funktion von \(x\) die Differentialgleichung befriedigt und außerdem den Bedingungen \[ \left (\frac {\partial ^i\chi }{\partial x^i}\right )_{x=t}= \begin{cases} 0\text{ für }i=0,1,\dotsc,n-2\\1\text{ für }i=n-1\end{cases}, \] genügt, wenn \(n\) die Ordnung der Differentialgleichung ist. Gegenstand der Arbeit ist die Entwicklung der Theorie der linearen gewöhnlichen Differentialgleichung unter Zugrundelegung des Begriffs der charakterischen Lösung. Haupthilfsmittel ist dabei die Theorie der \textit{Volterra}schen Integralgleichungen. Der erste Teil der Arbeit enthält die allgemeine Theorie: Zunächst (\(\S \) 2) wird gezeigt, daß\ die charakteristische Lösung für die Differentialgleichung \(L=0\) wirklich charakteristich ist und daß\ mit ihrer Hilfe auch die inhomogene Differentialgleichung gelöst werden kann. \(\S \) 3 bahandelt die Beziehungen der charakteristischen Lösung zu andern Lösungen (Fundamentalsystem, \textit{Wronski}sche Determinante), \(\S \) 4 die zu den Koeffizienten der Differentialgleichung. In \(\S \) 5 wird die Theorie der adjungierten Gleichung entwickelt. \(\S \) 6 und 7 haben von der Komposition und Teilbarkeit. Dabei heißt in der Relation \[ \chi (x,t)=\int \limits _t^x\varphi (x,\xi )\psi (\xi,t)d\xi \] \(\chi \) die Komponierte von \(\varphi \) und \(\psi \), und \(\chi \) heißt links bzw. rechts durch \(\varphi \) bzw. \(\psi \) teilbar. U. a. wird gezeigt: Sind \(\varphi,\psi \) die charakteristischen Lösungen der Differentialgleichung \(L=0\) bzw. \(M=0\), so ist \(\chi \) die charakteristische Lösung von \(ML=0\). - Der zweite Teil der Arbeit ist der Anwendung auf die vom Verf. früher (1934; F. d. M. \(60_{\text I}\), 378) entwickelten Theorie der normalen Differentialkette und der volleigentlichen Differentialgleichung (im linearen Falle) gewidmet. Den dort gegebenen Definitionen werden zunächst die folgenden an die Seite gestellt: Sind \(\chi _1,\chi _2,\dotsc,\chi _n\) in \((a,b)\) charakteristische Funktionen der Ordnung \(1,2,\dotsc,n\) und ist \(\chi _i\) links druch \(\chi _{i-1}\) teilbar, so bilden sie eine Kette \(n\)-ter Ordnung. Die in \((a,b)\) charakteristische Funktion \(n\)-ter Ordnung heißt dort volleigentlich, wenn für jedes in \((a,b)\) enthaltene Intervall \(n-1\) charakteristische Lösungen \(\chi _1,\dotsc,\chi _{n-1}\) existiert, sodaß\^^M\(\chi _1,\chi _2,\dotsc, \chi _{n-1},\chi \) in diesem Intervall eine Kette \(n\)-ter Ordnung bilden. Es wird gezeigt, daß\ eine lineare homogene Differentialgleichung dann und nur dann volleigentlich ist, wenn es ihre charakteristische Lösung ist. Unter den weiteren Resultaten heben wir das folgende hervor, das eine Verschärfung eines vom Verf. früher (1. c.) erhaltenen darstellt: Hat die lineare homogene Differentialgleichung \(n\)-ter Ordnung keine Lösung, die in \((a,b)\) mindestens \(n\) verschiedene Nullstellen hat, so ist sie dort volleigentlich. Zum Schluß\^^Mwird der Vollständigkeitsgrad \(g\) einer charakteristischen Lösung \(\chi (x,t)\) in \((a,b)\) behandelt: Sind \(t_1,t_2,\dotsc,t_n\) \(n\) verschiedene Punkte aus \((a,b)\), so ist \(g\) die untere Grenze für alle solche \(t_\nu \) und jedes \(x\) aus \((a,b)\) von \[ \frac {W(\chi (x,t_1),\chi (x,t_2),\dotsb,\chi (x,t_n))}{W\left (\frac {(x-t_1)^{n-1}}{(n-1)!}, \frac {(x-t_2)^{n-1}}{(n-1)!},\dotsb,\frac {(x-t_n)^{n-1}}{(n-1)!}\right )}, \] wobei \(W\) die \textit{Wronski}sche Determinante bedeutet. \(\chi \) ist in \((a,b)\) volleigentlich oder nicht, je nachdem \(g\) positiv oder negativ ist. Die Diskussion weiterer Eigenschaften des Vollständigkeitsgrades beschließt die Arbeit.