Verschlingungsinvarianten. (Q559395)

From MaRDI portal
scientific article
Language Label Description Also known as
English
Verschlingungsinvarianten.
scientific article

    Statements

    Verschlingungsinvarianten. (English)
    0 references
    0 references
    1933
    0 references
    \(\mathfrak T\) sei die Torsionsgruppe einer orientierbaren dreidimensionalen Mannigfaltigkeit \(\mathfrak M^3\). Je zwei Elementen \(A,B\) von \(\mathfrak T\) ist eine eindeutig betsimmte Verschlingungszahl \(\mathcal V(A,B), 0\leqq \mathcal V(A,B)<1\), durch folgende Vorschrift zugeordnet: Sind \(a\) und \(b\) irgend zwei Kurven aus den Homologieklassen \(A\) bzw. \(B\) und ist \(\alpha a\sim 0, \beta b\sim 0\) (Homologie im strengen Sinn, ohne Division), so setze man \[ \mathcal V(A,B)\equiv \frac {\mathcal V(\alpha a,\beta b)}{\alpha \beta }\pmod 1, \] wo auf der rechten Seite \(\mathcal V\) die Verschlingungszahl zweier berandender Kurven im üblichen Sinne ist. Die Verschlingungsmatrix \((\mathcal V(A_i,A_k))\) ist, wenn die \(A_i, A_k\) alle Elemente von \(\mathfrak T\) durchlaufen, offenbar eine Invariante von \(\mathfrak M^3\) in folgendem Sinne: Wenn zwei orientierte Mannigfaltigkeiten mit Erhaltung der Orientierung topologisch aufeinander abgebildet werden können, so müssen sich die Torsionsgruppen isomorph so aufeinander abbilden lassen, daß\ die Verschlingungsmatrizen, gebildet für entsprechende Elemente der beiden Gruppen, übereinstimmen. Für die Untersuchung der Frage, wann ein solcher Isomorphismus möglich ist, kann man von dem geometrischen Ausgangspunkt absehen: Eine endliche abelsche Gruppe \(\mathfrak T\) heißt eine ``Gruppe mit Verschlingung'', wenn je zwei Elementen \(A_i,A_k\) der Gruppe eine eindeutig bestimmte ``Verschlingungszahl'' \(\mathcal V(A_i,A_k)\), \(0\leqq \mathcal V(A_i,A_k)<1\), zugeordnet ist, die folgende Bedingungen erfüllt: {\parindent=8mm \begin{itemize}\item[I:]Kommutatives Gesetz: \(\mathcal V(A_i,A_k)=\mathcal V(A_k,A_i)\); \item[II:]Distributives Gesetz: \(\mathcal V(A_i,A_k+A_l)\equiv \mathcal V(A_i,A_k)+\mathcal V(A_i,A_l) \pmod 1\); \item[III:]Existenz dualer Basen: Man kann zwei Basen \(C_i\) und \(C_i'\) von \(\mathfrak T\) wähen so daß \end{itemize}} \[ \big ( \mathcal V(C_i',C_k)\big ) = \begin{pmatrix} \frac {1}{c_1} & 0 & \dots & 0\\ 0 & \frac {1}{c_2} & \dots & 0\\ \hdotsfor 4\\ 0 & 0 & \dots & \frac {1}{c_{\varrho }} \end{pmatrix}, \] wobei die \(c_1,\dots,c_{\varrho }\) die Torsionskoeffizienten der Gruppe sind. I, II, III drücken bekannte Eigenschaften der geometrischen Verschlingungszahlen aus, insbesondere III den \textit{Poincaré-Veblenschen} Dualitätssatz. Man kann sich bei der Untersuchung der Gruppen mit Verschlingung auf solche von Primzahlpotenzordnung beschränken. Es gilt nämlich: \parindent=8mm \begin{itemize}\item[(1)]Für zwei Elemente \(A_i,A_k\) von der Ordnung \(\alpha _i\) bzw. \(\alpha _k\) iat \[ \mathcal V(A_i,A_k)=\frac {m}{(\alpha _i,\alpha _k)}, \quad m \quad \text{ganz}; \] insbesondere ist also bei teilerfremden \(\alpha _i, \alpha _k\) stets \(\mathcal V(A_i,A_k)=0\), speziell \(\mathcal V(A_i,0)=0\). \item[(2)]Ist \(\mathfrak T\) als direkte Summe von Gruppen \(\mathfrak T_{p_i}\), deren Ordnungen Potenzen von \(p_i\) und paarweise teilerfremd sind, dargestellt, so definiert eine Verschlingung von \(\mathfrak T\) in jeder \(\mathfrak T_p\) eine Verschlingung. Sei also \(\mathfrak T_p\) eine Gruppe mit Verschlingung von Primzahlpotenzordnung. \(B_1,B_2,{\dots }\), \(B_r\) sei eine Basis von \(\mathfrak T_p, p^{e_1},p^{e_2}, \dots p^{e_r}\) seien die Ordnungen der Basiselemente, wobei die Numerierung so gewählt ist, daß\^^M \[ e_1=e_2=\dots =e_{\mu }<e_{\mu +1}=\cdots =e_{\nu } <\cdots <e_{\tau +1}=\cdots =e_r. \] Dann hat die Matrix \((\mathcal V(B_i,B_k))\) folgende Gestalt: Sie ist nach I symmetrisch, und nach (1) stehen in den ersten \(\mu \) Zeilen und in den ersten \(\mu \) Spalten Elemente, die sich mit dem Nenner \(p^{e_1}\) schreiben lassen, in den folgenden \(\nu -\mu \) Zeilen und Spalten Elemente, die auf den Nanner \(p^{e_{\mu +1}}\) gebracht werden können, usw. \(\dfrac {1}{p^{e_{1}}}A_{1},\dfrac {1}{p^{e_{\mu +1}}}A_{\mu +1},\cdots,\dfrac {1}{p^{e_{\tau +1}}}A_{\tau +1}\) seien die bei dieser Einteilung längs der Hauptdiagonale stehenden Matrizen; dann gilt nach III: Die Determinanten \(| A_1|,| A_{\mu +1}| \), \(\dots,| A_{\tau +1}| \) der ``Hauptkästchen'' sind prim zu \(p\). Ein Automorphismus von \(\mathfrak T_p\) wird vermittelt durch eine Transformation der Basis, wobei in der ganzzahligen Transformationsmatrix \(\varGamma =(\gamma _{ik})\) die Elemente \(\gamma _{ik}\) für \(i<k\) durch \(p^{e_k-e_i}\) teilbar sind; außedrdem ist \(| \varGamma | \not \equiv 0 (\mod p)\). Alle Automorphismen lassen sich aus ``elementaren'' Automorphismen der Form {\parindent=8mm \begin{itemize}\item[(a)]\(B_i'=B_i\pm B_k\) mit \(i>k\), \(B_j'=B_j\) für alle \(j\neq i\) (\(i,k\) fest), \item[(b)]\(B_i'=B_i\pm p^{e_k-e_i}B_k\) mit \(i<k\), \(B_j'=B_j\) für alle \(j\neq i\) (\(i,k\) fest), \item[(c)]\(B_i'=xB_i\) mit \(x\not \equiv 0(\mod p)\), \(B_j'=B_j\) für alle \(j\neq i\) (\(i\) fest) \end{itemize}} aufbauen. Mit Hilfe der elementaren Automorphismen wird \((\mathcal V (B_i,B_k))\) schrittweise auf eine Normalform gebracht, wobei jetzt der Fall \(p=2\) auszuschließen ist, weil hier eine gewisse Nicht-Teilbarkeitsbedingung verloren gehen könnte. Zunächst erreicht man durch Transformationen (a), (b) die Diagonalform, mit Elementen \[ \frac {\alpha _1}{p^{e_{1}}},\frac {\alpha _2}{p^{e_{2}}},\cdots, \frac {\alpha _r}{p^{e_{r}}} \qquad (\alpha _i \quad \text{ganz}) \] in der Hauptdiagonale. Durch (c) kann jedes einzelne Diagonalelement mit einem Faktor \(x^2\) versehen werden, wodurch man - je nach dem Restcharakter von \(\alpha _i\) - einen beliebigen quadratischen Rest bzw. Nichtrest an die stelle von \(\alpha _1\) setzen kann. Kommen in einem Hauptkästchen zwei Nichtreste \(\mod p\) vor, so kann man sie durch zwei Reste ersetzen. Die endgültige Normalform soll nun so aussehen: Sie hat Giagonalform, in jedem Hauptkästchen steht höchstens ein Nichtrest \(\mod p\), und dann an erster Stelle, und im übrigen wähle man alle Elemente möglichst klein. Damit ist die Diagonalform eindeutig bestimmt, und zwei Verschlingungen derselben Gruppe \(\mathfrak T_p\) \((p>2)\) stimmen dann und nur dann bis auf einen Automorphismus überein, wenn sie dieselbe Normalform liefern. Ausschlaggebend für die Normalform ist allein der Restcharakter der Hauptkästchendeterminanten \(\mod p\) \((p\neq 2)\), der bei elementaren Automorphismen ungeändert bleibt. Geometrisch bedeutet das: Wenn für eine orientierte dreidimensionale Mannigfaltigkeit \(\mathfrak M^3\) die direkte Summenzerlegung der Torsionsgruppe \(\mathfrak T\) in zyklische Summanden genau \(\mu \) Gruppen der Ordnung \(p^e\) \((p\neq 2)\) enthält, mit den Erzeugenden \(B_1,B_2,\dots,B_{\mu }\), so hat die Matrix der zugehörigen Verschlingungszahlen die Gestalt \[ \big ( \mathcal V(B_i,B_k)\big ) =\frac {1}{p^e}A \qquad (A \quad \text{ganzzahlig}, | A| \not \equiv 0\mod p), \] und der quadratische Restcharakter von \(| A| \mod p\) ist (für jedes System von untereinender gleichen zyklischen Summanden von \(\mathfrak T\)) eine topologische Invariante der orientierten \(\mathfrak M^3\). Durch Zusammenheften von Linsenräumen kann man eine \(\mathfrak M^3\) mit (unter Berück\-sichtigung von \(p\neq 2\)) beleibig vorgegebener Torsionsgruppe und Verschlingungsinvarianten herstellen. Die Verschlingungsinvarianten ermöglichen in gewissen Fällen die Unterscheidung von Mannigfaltigkeiten mit gleicher Fundamentalgruppe und den Nachweis der Asymmetrie einer \(\mathfrak M^3\) (Unmöglichkeit einer die Orientierung umkehrenden topologischen Abbildung der \(\mathfrak M^3\) auf sich) und demgemäß\ die Unterscheidung von Knoten mit gleicher Knotengruppe und den Nachweis, daß\ ein Knoten nicht amphicherial ist. Das führt Verf. an Beispielen aus. \textit{Reidemeister}s Invarianten (1934; F. d. M. \(60_{\text{I}}\), 514-515) lassen sich als Verschlingungsinvarianten deuten. Die Betrachtungen lassen sich auf \((4n+3)\)-dimensionale Mannigfaltigkeiten und deren \((2n+1)\)-dimensionale Torsionsgruppen ausdehnen. Der Fall der \((4n+1)\)-dimensionalen Mannigfaltigkeiten - mit schiefsymmetrischer Verschlingungsmatrix der \(2n\)-dimensionalen Homologieklassen - ist von \textit{de Rham} (Sur l'analysis situs des variétés à \(n\) dimensions, Journ. de Math. (9) 10 (1931), 115-200; F. d. M. 57) behandelt worden.\end{itemize}
    0 references

    Identifiers