Über die verallgemeinerten Ableitungen, die durch ein Iterationsverfahren gebildet sind. (Q2580601)

Es sei \(f(t)\) in einer Umgebung der Stelle \(x\) integrierbar, nicht notwendig stetig, \[ D_0(u)=\frac{f(x+u)-f(x)}{u}, \] \(\varphi (x; u)\) eine positive stetige Gewichtsfunktion. Dann hat Verf. in einigen früheren Arbeiten (C. R. Acad. Sci., Paris, 206 (1938), 1440-1442; 207 (1938), 110-112; Annuaire Univ. Sofia, Fac. physic.-math., Livre 1, 35 (1939), 225-248; Mh. Math. Physik 48 (1939), 103-120; JFM 64.0206.*, 205; 65, 1179) die Ableitung \(f'(x)\) durch die Formel \[ f'(x)=\lim_{u\to0}D_1(u)=\lim_{u\to0}\textstyle \int\limits_{0}^{u}D_0(t)\,t\varphi (x;t)\,dt:\int\limits_{0}^{u}t\varphi (x; t)\,dt \] definiert, falls dieser Grenzwert existiert. Er verallgemeinert nun seinen Ableitungsbegriff durch Anwendung der Iteration \[ D_{n+1}(u)=\textstyle \int\limits_{0}^{u}D_n(t)\,t\varphi \,(x;t)\,dt:\int\limits_{0}^{u}t\varphi (x;t)\,dt\quad(n=0,1,2,\dots ), \] indem er \[ f'(x)=\lim_{u\to0}D_n(u) \] setzt, wenn dieser Grenzwert für irgendeine Nummer \(n\) existiert. Das Verfahren ist permanent, d. h. aus der Existenz von \(\displaystyle \lim_{u\to 0}D_n(u)\) folgt auch die Existenz von \(\displaystyle \lim_{u\to 0}D_{n+1}(u)\), und beide Grenzwerte stimmen überein. Verf. betrachtet dieses Verfahren insbesondere für \(\varphi (x; u)=\dfrac{1}{u}\) und daneben das für \(n = 0\), 1, 2,\dots durch die Formeln \[ \varDelta _0(u)=D_0(u),\;\;\varDelta _{n+1}(u)=\textstyle \int\limits_{0}^{u}\varDelta _n(t)\,dt,\;\;\gamma _0(u)=1,\;\;\gamma _{n+1}(u)=\int\limits_{0}^{u}\gamma _n(t)\,dt \] definierte Iterationsverfahren, womit die Ableitung als der Grenzwert \[ f'(x)=\lim_{u\to0}\frac{\varDelta _n(u)}{\gamma _n(u)} \] definiert werden kann, falls dieser Grenzwert für eine Nummer \(n\) vorhanden ist. Auch dieses Verfahren ist permanent. Da die Folgen \[ \biggl\{\varliminf_{u\to0}\frac{\varDelta _n(u)}{\gamma _n(u)}\biggr\}\;\text{und}\;\biggl\{\varlimsup_{u\to0}\frac{\varDelta _n(u)}{\gamma _n(u)}\biggr\}\qquad(n=0,1,2,\dots ) \] monoton gegeneinander konvergieren, kann man ihre Grenzwerte auch als verallgemeinerte untere bzw. obere Ableitung und, falls diese beiden Grenzwerte übereinstimmen, ihren gemeinsamen Wert als verallgemeinerte Ableitung definieren. Entsprechendes gilt für die rechtsseitige bzw. linksseitige Ableitung; man braucht nur \(u\) auf eine rechtsseitige bzw. linksseitige Umgebung der Stelle 0 zu beschränken. Erstes Ziel der Arbeit ist unter der Voraussetzung \(\varphi (x;u)=\dfrac{1}{u}\) der folgende Äquivalenzsatz: Wenn für eine Nummer \(n\) der Grenzwert \(\displaystyle \lim_{u\to0}D_n(u)\) existiert, dann existiert auch \(\displaystyle \lim_{u\to0}\frac{\varDelta _n(u)}{\gamma _n(u)}\), und beide Grenzwerte stimmen überein. Wenn \(\displaystyle \varliminf_{u\to0}D_0(u)\) und \(\displaystyle \varlimsup_{u\to0}D_0(u)\) endlich sind, so zieht die Existenz von \(\displaystyle \lim_{u\to0}\dfrac{\varDelta _n(u)}{\gamma _n(u)}\) die Existenz von \(\displaystyle \lim_{u\to0}D_n(u)\) nach sich, und beide Grenzwerte sind einander gleich. Sodann betrachtet Verf. allgemeiner den Fall \(\varphi (x;u)=u^p\) \((p > - 2)\) und setzt \[ D_{1,p}(u)=\textstyle \int\limits_{0}^{u}D_0(t)\,t^{p+1}\,dt:\int\limits_{0}^{u}t^{p+1}\,dt, \] also \(D_{1,-1}(u)=D_1(u)\). Es ergibt sich: Für \(- 2 < p < q\) folgt aus der Existenz von \(\displaystyle \lim_{u\to0}D_{1,p}(u)\) auch diejenige von \(\displaystyle \lim_{u\to0}D_{1,q}(u)\), und beide Grenzwerte sind einander gleich. Schließlich wird gezeigt, daß die Regeln für die Differentiation einer Summe, eines Produktes oder eines Quotienten und einer mittelbaren Funktion bei Verwendung des neuen Ableitungsbegriffes wörtlich genau so lauten wie bei Benutzung der klassischen Definition der Ableitung.