Über den Begriff der Klasse von Differentialgleichungen. (Q1480260)
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Language | Label | Description | Also known as |
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English | Über den Begriff der Klasse von Differentialgleichungen. |
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Über den Begriff der Klasse von Differentialgleichungen. (English)
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1912
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Die Grundlage der Untersuchung bildet eine Differentialgleichung für zwei Funktionen \(y\) und \(z\) der einen Variable \(x\): \[ F\left(\frac{d^ny}{dx^n},\dots,\frac{dy}{dx},y,\frac{d^mz}{dx^m},\dots, \frac{dz}{dx},z;x\right)=0, \leqno(1) \] die nicht etwa dadurch gewonnen wird, daß man eine Differentialgleichung derselben Gestalt von niederer Ordnung ein- oder mehrmals differenziert und die entstehenden Differentialgleichungen linear kombiniert. Verf. setzt nun \[ \left\{ \begin{aligned} \xi&=\varphi\left(x;y,\frac{dy}{dx},\frac{d^2y}{dx^2},\dots,z,\frac{dz}{dx}, \frac{d^2z}{dx^2},\dots\right),\\ \eta&=\psi\left(x;y,\frac{dy}{dx},\frac{d^2y}{dx^2},\dots,z,\frac{dz}{dx}, \frac{d^2z}{dx^2},\dots\right),\\ \zeta&=\chi\left(x;y,\frac{dy}{dx},\frac{d^2y}{dx^2},\dots,z,\frac{dz}{dx}, \frac{d^2z}{dx^2},\dots\right),\\ \end{aligned} \right. \leqno(2) \] wo rechts als Argumente die Variable \(x\) und die Funktionen \(y\), \(z\) sowie ihre Ableitungen bis zu gewissen Ordnungen hin auftreten, und drückt \[ \frac{d\eta}{d\xi}=\frac{\dfrac{d\psi}{dx}}{\dfrac{d\varphi}{dx}}, \frac{d^2\eta}{d\xi^2}=\frac{\dfrac{d\varphi}{dx}\dfrac{d^2\psi}{dx^2} -\dfrac{d\psi}{dx}\dfrac{d^2\varphi}{dx^2}}{\left(\dfrac{d\varphi}{dx}\right)^3}, \dots, \frac{d\zeta}{d\xi}=\frac{\dfrac{d\chi}{dx}}{\dfrac{d\varphi}{dx}}, \frac{d^2\zeta}{d\xi^2}=\frac{\dfrac{d\varphi}{dx}\dfrac{d^2\chi}{dx^2} -\dfrac{d\chi}{dx}\dfrac{d^2\varphi}{dx^2}}{\left(\dfrac{d\varphi}{dx}\right)^3}, \dots \] durch \(x\) und durch \(y\), \(z\) sowie ihre Ableitungen nach \(x\) aus; dann werden sich im allgemeinen, d. h. wenn \(\varphi\), \(\psi\), \(\chi\) nicht besonderen Bedingungsgleichungen genügen, aus (2) unter Benutzung von (1) die Größen \(x\), \(y\), \(z\) durch \(\xi\) und durch \(\eta\), \(\zeta\) sowie ihre Ableitungen nach \(\xi\) ausdrücken lassen: \[ \left\{ \begin{aligned} x&=g\left(\xi;\eta,\frac{d\eta}{d\xi},\frac{d^2\eta}{d\xi^2},\dots,\zeta, \frac{d\zeta}{d\xi},\frac{d^2\zeta}{d\xi^2},\dots\right),\\ y&=h\left(\xi;\eta,\frac{d\eta}{d\xi},\frac{d^2\eta}{d\xi^2},\dots,\zeta, \frac{d\zeta}{d\xi},\frac{d^2\zeta}{d\xi^2},\dots\right),\\ z&=k\left(\xi;\eta,\frac{d\eta}{d\xi},\frac{d^2\eta}{d\xi^2},\dots,\zeta, \frac{d\zeta}{d\xi},\frac{d^2\zeta}{d\xi^2},\dots\right).\\ \end{aligned} \right. \leqno(3) \] Dabei geht (1) in eine Differentialgleichung für \(\eta\), \(\zeta\), als Funktionen von \(\xi\), von der Gestalt \[ \varPhi\left(\frac{d^\nu\eta}{d\xi^\nu},\dots,\frac{d\eta}{d\xi},\eta, \frac{d^\mu\zeta}{d\xi^\mu},\dots,\frac{d\zeta}{d\xi},\zeta;\xi\right)=0 \leqno(4) \] über. Von dieser Transformation (2) oder (3) sagt Verf., daß sie die Differentialgleichungen (1) und (4) ``umkehrbar integrallos'' ineinander transformiert; alle Differentialgleichungen, die wie (4) umkehrbar integrallos in (1) übergeführt werden können, werden zur nämlichen Klasse von Differentialgleichungen gerechnet. Diese Begriffe sind Analoga zu dem der birationalen Transformation eines algebraischen Gebildes und zu dem \textit{Riemann}schen Begriff der Klasse algebraischer Funktionen. Nunmehr setzt Verf. andererseits \[ \left\{ \begin{aligned} x&=\varphi(t,w,w_1,\dots,w_r),\\ y&=\psi(t,w,w_1,\dots,w_r),\\ z&=\chi(t,w,w_1,\dots,w_r),\\ \end{aligned} \right. \leqno(5) \] wo die Funktionen \(\varphi\), \(\psi\), \(\chi\) nicht sämtlich nur von \textit{einer} Verbindung ihrer Argumente \(t\), \(w\), \dots, \(w_r\) abhängen und \(w\) eine willkürliche Funktion von \(t\), \(w_k=\dfrac{d^kw}{dt^k}\) (\(k=1,2,\dots,r\)) ist, und bildet \(\dfrac{dy}{dx}\), \(\dfrac{d^2y}{dx^2}\), \dots, \(\dfrac{dz}{dx}\), \(\dfrac{d^2z}{dx^2}\), \dots. Ist nach Eintragung dieser Werte die Differentialgleichung (1) für jede willkürliche Funktion \(w(t)\), d. h. identisch in \(t\), \(w\), \(w_1\),\dots erfüllt, so sagt Verf., daß die Differentialgleichung (1) die integrallose Auflösung (5) besitze. Es gilt der Satz: Alle integrallos auflösbaren Differentialgleichungen bilden eine und dieselbe Klasse. Nach \textit{Monge} sind die Differentialgleichungen erster Ordnung von der Form (1) (d. h. \(n=1\), \(m=1\)) integrallos auflösbar, können also nach dem obigen Satze umkehrbar integrallos ineinander transformiert werden. Den integrallos auflösbaren Differentialgleichungen entspricht in der Theorie der algebraischen Funktionen die Klasse der algebraischen Gebilde vom Geschlechte Null. Verf. führt nun zunächst an dem Beispiel \(\dfrac{dz}{dx}= \left(\dfrac{d^2y}{dx^2}\right)^2\) den Nachweis, daß es schon unter den Differentialgleichungen zweiter Ordnung solche gibt, die nicht zu der Klasse der integrallos auflösbaren Differentialgleichungen gehören, und zeigt, daß die Differentialgleichung \(\dfrac{dz}{dx}=F\left(\dfrac{d^2y}{dx^2},\dfrac{dy}{dx}, y,z,x\right)\) nur dann eine integrallose Auflösung besitzen kann, wenn \(F\) eine ganze lineare Funktion von \(\dfrac{d^2y}{dx^2}\) ist. Ferner gibt Verf. an, wie man beweisen kann, daß es überhaupt unendlich viele voneinander verschiedene Klassen von Differentialgleichungen gibt. Zu einem tieferen Studium der Differentialgleichungen (1) und des Klassenbegriffes bedarf es der Heranziehung der Methoden der Variationsrechnung, und zwar sind folgende Begriffsbildungen in erster Linie erforderlich: Jedes Paar von Funktionen \(y(x)\), \(z(x)\), die der Differentialgleichung (1) identisch in \(x\) geniigen, heiße eine Lösung von (1). Wird nun die Differentialgleichung (1) durch eine umkehrbar integrallose Transformation in (4) übergeführt, so entspricht vermöge (3) im allgemeinen einer jeden Lösung der transformierten Differentialgleichung (4) eine solche der ursprünglichen Differentialgleichung (1). Es kann jedoch besondere Lösungen von (1) geben, die auf diese Weise vermöge (3) nicht dargestellt, d. h. ``ausgelassen'' werden. Andererseits nennt Verf. diejenigen besonderen Lösungen von (1), für welche die erste Variation verschwindet, die ``diskriminierenden Lösungen'' von (1). Die diskriminierenden Lösungen werden bei einer umkehrbar integrallosen Transformation sämtlich oder zu einem Teil wiederum diskriminierende Lösungen. Die fundamentale Bedeutung dieser allgemeinen Begriffe erkennt man bereits an dem Beispiel der (\textit{Monge}schen) Differentialgleichung erster Ordnung: Es zeigt sich nämlich, daß die sämtlichen diskriminierenden Lösungen der \textit{Monge}schen Differentialgleichung, und im wesentlichen nur diese, ausgelassene Lösungen sind (vgl. das folgende Referat über die Arbeit von \textit{W. Groß}). Verf. beweist diese Behauptung an dem Beispiele der speziellen \textit{Monge}schen Differentialgleichung \(\dfrac{dz}{dx}= \left(\dfrac{dy}{dx}\right)^2\). Zum Schlusse weist Verf. darauf hin, daß die \textit{Monge}sche Differentialgleichung zugleich ein Beispiel dafür bietet, daß die diskriminierenden Lösungen gegenüber den umkehrbar integrallosen Transformationen keinenfalls invarianten Charakter besitzen, ein Umstand, der mit dem vorhergehenden Satze im engsten Zusammenhange steht.
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