Ein Vermessungsproblem reist von China nach Paris (Q799661)

Es geht um die Vermessung der Höhe und des Abstandes eines Berges oder Turms, wenn das Gelände zwischen Beobachtungsort und Objekt nicht zugänglich ist. Dieses Problem wandert im Laufe von Jahrhunderten nach Westen, beginnend beim Chinesen Liu Hui (3. Jh.) zur Ermittlung der Höhe und Entfernung einer Insel im Meer, bei Aryabhata (geb. 476) dient es zur Bestimmung der Entfernung eines Lampenträgers von den Enden der Schatten zweier Stäbe, bei Brahmagupta (geb. 598) und Bhaskara (1114- 1185?) treten ähnliche Fragestellungen auf; al-Biruni (973-1048) behandelt unter Hinweis auf die indische Abstammung die Aufgabe, in der das Licht von der Spitze eines Minaretts auf zwei Gnomone fällt. Noch unklar ist die Weitergabe dieses Problems an das Abendland - bei den römischen Agrimensoren scheint es nicht vorhanden zu sein -, denn es taucht erst im 11. Jh. auf, wobei aber ältere Fassungen vorausgesetzt werden müssen. Um über eine unzugängliche Entfernung hinweg die Höhe eines Berges bestimmen zu können, wendet der Verfasser der ''Geometria incerti autoris'' unterschiedliche Verfahren an. Jetzt wird die Größe des Beobachters mit berücksichtigt. ''Aus all diesen Zeichnungen bietet sich ein geometrisches Problem an, nämlich die Berechnung der Höhe, der Projektion und der Fläche eines schiefwinkeligen Dreiecks'' (S. 366). Dienten Vermessungsaufgaben im Mittelalter auch dazu, Material für den Unterricht im Quadrivium zu gewinnen? (S. 366). Hugo von S. Victor (1096- 1141), der in Paris lehrte, verhalf dieser Art von Aufgabenstellung schließlich zu weiterer Verbreitung. - Geschichte der Mathematik als Geschichte eines mathematischen Problems ist hier sehr anschaulich zum Ausdruck gebracht worden.